Reiseführer-Landkarte M11: Vergessene Schätze und Urlaubsziele
Es muss nicht nur Aït Ben Haddou sein! … Mit diesem Gedanken ließen wir uns für einige Tage in Ouarzazate als Ausgangspunkt für neue Ausflüge nieder.
Schnell wurden wir unserem Vorsatz untreu, diesmal ganz bestimmt durch Aït Ben Haddou durchzufahren. Wieder hielten wir an, liefen jedoch auf der Nord-Ostseite des Ortes vorbei, entdeckten weitere Festungsreste am Hang, ein Marabout und kaum noch erkennbare Spuren einer ehemaligen Khettara, die unter einem Friedhof hindurchführte. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass diese Khettara deutlich älter als der Friedhof sein muss?
Auf der Weiterfahrt talaufwärts machten wir unmittelbar hinter Asfalou auf der gegenüberliegenden Flussseite Höhlen im Felsen aus. Neugierig durchquerten wir das träge plätschernde Wasser, weit über uns unerreichbar in einer schier unbezwingbaren Wand die Höhlen.
Ein Stück weiter - wir jubelten bereits – erspähten wir Höhlen in erreichbarer Höhe. Aber welch geschickte Baumeister müssen hier am Werk gewesen sein – direkt vor dem Einstieg hatte der Fluss ein tiefes Bett vor der Felswand gebildet, dass wir nicht durchqueren konnten. So begnügten wir uns damit, ein paar Fotos zu schießen und machten uns auf der Weiterfahrt vergeblich Gedanken um den Sinn der Löcher.
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In Tamdakhte lockte uns eine Glaoui-Kasbah, die wir besichtigten. Immer wieder überwältigend, in welcher Pracht diese Gebäude einst errichtet wurden. Auch Charles de Foucauld wanderte 1884 auf seiner Reise von Anemiter durch das Ounilatal hier vorbei.
Nachvollziehbar ist zwar, dass nach der harten Herrschaft des letzten Glaoui-Herrschers im Land kein Interesse am Erhalt seiner Paläste besteht, bedauerlich aber für den Besucher, der oftmals nur noch Fragmente vorfindet.
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Da wir zu Fuß einfach viel mehr entdecken, als aus dem Auto, wanderten wir bis Tazlaft weiter und konnten nicht widerstehen, den restaurierten Speicher im Ort zu besuchen. Dann verließen wir den Ounila und folgten dem trockenen Flussbett des El Maleh ein Stück, denn die nächsten Höhlen zogen uns magisch an. Diesmal war der Zugang für uns erfreulich leicht zu bewältigen, der mühevolle Aufstieg zum Eingang wurde mit einer fantastischen Aussicht belohnt.
Und endlich hatten wir auch die Gelegenheit alles von innen zu erforschen. Von einem tief in den Felsen gehauenen ca. 20 m langen Gang zweigten rechts und links 55 Kammern ab, über 8 m Höhe auf zwei Etagen angeordnet. Alle sauber und glatt aus dem Gestein herausgearbeitet. Während wir weiter über den Zweck dieser bestimmt mühevollen Konstruktion spekulierten, näherte sich aus dem Flussbett ein Mann, der dort an einem Brunnen gearbeitet hatte. Freundlich begrüßte er uns. EL Abd stellte sich als Guide der Region vor und war ganz verblüfft, dass wir diesen Ort allein gefunden hatten. Von ihm erfuhren wir erstmals den Namen: Tazaght.
Hier wurde ehemals Stroh gelagert. Das Bauwerk verfüge über die gleiche Kammeranzahl, wie der Speicher, den wir kurz zuvor im Ort besichtigt hatten. Später erweiterten wir unser Wissen durch das Studium einiger Forschungsreisenden, die vor reichlich 100 Jahren das Land durchquerten und in den Felsen gegrabene Höhlen beschrieben. Sie dienten nach deren Erkenntnissen der Lagerung von Getreide, Tiere konnten hier in Sicherheit gebracht werden und im Belagerungsfall wurde eine Verteidigung von oben organisiert.
Die geologischen Gegebenheiten eines tief in die Felsen gegrabenen besiedelten Flusstals, das gleichzeitig Handelsroute war, führte die dort lebenden Imazighen („Berber“) zur Konstruktion dieser schwer zugänglichen Schutz- und Verteidigungspositionen. Später, als die Verteidigung nicht mehr vorrangig notwendig war, verlagerte man den Speicher in die Dorfzentren.
Mit neuem Wissen „im Gepäck“ führte unser Weg über die ehemalige Sultansfestung Barda mit fantastischem Ausblick weiter Richtung Assaka. Von dort folgten wir einem Trampelpfad durch das Flusstal hinauf zum auf der anderen Talseite liegenden Dorf. Von dort auf einem schmalen Felspfad am Hang entlang standen wir erneut vor einem Höhlenspeicher, zu dessen Eingang wir vordringen konnten.
In der senkrecht aufragenden Felswand zog sich ein Band erkennbarer Löcher über mehrere Etagen hin. Mit Ehrfurcht beobachteten wir einige Kinder, die sich offensichtlich zum Spielen hierher begeben hatten und jetzt viel Freude daran fanden, uns von unterschiedlichen Ebenen hier und da aus einer Öffnung zuzuwinken. Mein Versuch, auf einem an der Felswand lehnenden Kerbholz (Palmenstamm mit eingeschnittenen Trittstufen) wenigstens die nächste Etage zu erreichen, wurde lachend zur Kenntnis genommen – mein schneller Abbruch des Versuches ebenso!
Auch wenn viele Spekulationen der ehemaligen Nutzung der Tazaghin (Pl. von Tazaght) offenbleiben werden, da es heute keine lebenden Zeugen aus dieser Epoche mehr gibt, sind sie einen Besuch allemal wert. Die Faszination über die erbrachte Leistung ohne die uns bekannten technischen Hilfsmittel und die beeindruckende Landschaft ringsum lassen einfach nur ehrfurchtsvoll staunen und bestätigen uns auf der Rückfahrt nach Ouarzazate den Anfangsgedanken.
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Bereits in dieser Serie erschienen:
- GPS Waypoints Marokko - Morocco - Maroc, ISBN 9783943752359
- Stadtplan Agadir + Cityplan Inezgane + Ausflugstipps - ISBN 9783943752366
. - J10: Essaouira • Sidi Kaouki • Jbel El Hadid + Altstadtplan Essaouira. ISBN 9783943752717
- J12: Agadir • Taghazout • Imouzzer + Cityplan Agadir, 2019, ISBN 9783943752373
- K13: Tafraoute nord - Tizourgane – Igherm, ISBN 9783943752380
- K14: Tafraoute • Amtoudi • Aït Mansour • Tanalt • 1:120.000, 2023, ISBN 9783943752397
- K15: Amtoudi • Fam El Hisn • Ifrane • Taghjijt, 2022, ISBN 9783943752649
- L11: Asni • Imlil • Oukaïmeden • Setti-Fatma + Wanderkarte Toubkal &Lac d`Ifni, 2021, ISBN 9783943752656
- L14: Tata - Akka - Tadakoust - Jbel Bani, ISBN 9783943752663
- M11: Aït-Ben-Haddou • Ouarzazate • Skoura + Straße der Kasbahs I, 2022, ISBN 9783943752670
- M12: Taznakht • Anzal • Aït Saoun • Alloughoum • Jbel Sirwa est - ISBN 9783943752694
- M13 Foum Zguid • Tissint • PN d'Iriqui ouest • Jbel Bani, ISBN 9783943752878
- N10 Aït Bouguemez • M’Semrir • Boumalne Dadès • Kelâa M’Gouna + Straße der Kasbahs III, ISBN 9783943752885
- N11: Skoura • Kelâa M’Gouna • N’Kob • Jbel Sarhro + Straße der Kasbahs II - ISBN 978394375295
- Preisnachlass bei Bündel-Abnahme ab 4 Blättern. Die Staffelpreise werden im Shop von HUBER Kartographie GmbH bei allen Produkten angezeigt.
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*1 Charles Eugène Vicomte de Foucauld
Welche Handwerker haben diese seltsamen Behausungen geschaffen? Heute kann sie niemand mehr erreichen; wehe dem, der versucht, zu diesen geheimnisvollen Rückzugsorten hinaufzuklettern: Geister verteidigen den Zugang und würden den Unvorsichtigen in die Talsohle stürzen. Solche Höhlen sind von nun an hier reichlich vorhanden. Es gibt zwei Arten: eine öffnet sich ohne Ordnung auf der Felsseite; das Auge kann nur mehrere dunkle Löcher unterscheiden, die nach dem Zufallsprinzip und isoliert von ihren Nachbarn gebohrt wurden.
Die anderen hingegen sind in der gleichen Ebene gegraben: vor den Öffnungen sehen wir entlang der Wand einen in den Felsen geschnittenen Stollen, der die Höhlen miteinander verbindet: dieser Stollen ist außen oft mit einer gemauerten Brüstung versehen. Sie werden zur Lagerung von Getreide oder zum Unterstellen von Herden genutzt.
Quelle: Reconnaissance au Maroc 1883–1884, Challamel et CIE, Editeurs Paris 1888
*2 Robert Montagne 1929
Foucaulds Beobachtungen reichen aus, um die enge Beziehung zwischen den von Menschenhand geschaffenen Sammellagern - dem "ighrem", dem "tighremt" und den Höhlen aufzuzeigen. Es gibt viele Höhlen, wie Foucauld sagte, östlich des Tizi n Telwet [Tizi n‘Telouet]. Sie werden "tazaght" (pl. tazaghin) genannt. (Der Tazaght muss sowohl den Sinn einer Höhle als auch den eines hohen, unzugänglichen Ortes haben.) Sie werden hauptsächlich als Strohlager genutzt; gelegentlich nehmen Krieger dort Zuflucht, um gegen die Harkas der Kaids zu kämpfen. Die gegrabene Tazaght, in der Nähe der Kasba von Tamdakht, wo die Residenz des Amghars Ali, Feind der Glawi [Glaoui] im Jahr 1901 war, ist berühmt für die Verteidigung. Die Krieger, die sich dort mehrere Wochen lang versteckt hatten, dezimierten die Angreifer mit Gewehren. Erwähnenswert ist auch das Tazaght von Timountout, südlich von Telwet bzw. Telouet.
Quelle: Un magasin collectif de l'Anti-Atlas - L'Agadir des Ikounka, Hespéris Tome IX Année, 1929