Reiseführer-Landkarte N11: Geheimnisse der Kasbah von Caïd Aït Chaïr
In den 1960er Jahren erkundete der Hamburger Naturwissenschaftler Dr. Werner Wrage Marokko mit einem unstillbaren Wissensdurst und seinem treuen VW Käfer. Heute erzählen diese Orte von Vergänglichkeit, ziehen jedoch weiterhin mit ihrem morbiden Charme Entdecker und Neugierige an.
Immer wieder fesseln uns Reiseberichte und Fotos des Hamburger Naturwissenschaftlers und Lehrers Dr. Werner Wrage, der in den 1960er Jahren Marokko intensiv mit seinem VW Käfer bereiste. So stößt man auch unterwegs in den Palmenhainen rund um Skoura auf seine Spuren. Er staunte darüber, wie groß und grün die Oase war. Davon ist heute leider deutlich weniger zu sehen.
Auch die einst so prächtigen Wohnburgen der Berber - die Kasbahs - erstrahlen längst nicht mehr in der von Wrage beschriebenen Pracht. Doch auch ein gewisser morbider Charme kann verlockend sein. So begeben wir uns - bewaffnet mit dem von Wrage skizzierten Plan der Gesamtanlage - auf die Suche nach der Kasbah von Caïd Aït Chaïr.
Die Suche ist weniger schwierig als erwartet. Die Enttäuschung ist umso größer, da das Tor zur Anlage verschlossen ist. Nach vergeblichen Versuchen, in der Umgebung einen hilfsbereiten Bewohner mit einem Schlüssel zu finden, beschließen wir, das Gelände wenigstens an der Außenmauer zu umrunden. Dabei stoßen wir zufällig auf einen - vermutlich nicht ganz legalen - Einschlupf an einer defekten Mauer. Wir nehmen uns viel Zeit, um die riesige Anlage zu erkunden.
Es gibt viel zu entdecken: Gebäude reihen sich aneinander, wir nehmen alles unter die Lupe und stoßen auf manche Kleinode. Etwas betroffen stehen wir jedoch auch im Innenhof des neuen Wohnbaus, dessen umliegende Gebäude zeitweise als Gefängnis genutzt wurden. Abgemauerte Türen mit großen Riegeln davor und winzige Luftschächte lassen selbst von außen spüren, dass hier in den 1970er Jahren ein eisiger Wind geweht haben muss…
Wie kommt das Wasser in den Pool?
Bereits Wrage fand alle Gebäude der Kasbah verlassen vor. Heute ist der Verfall weiter vorangeschritten. Trotzdem schaffen wir es bis auf das Dach des neuen Wohnbaus und erhaschen einen Blick in den Garten. Dann erspähen wir das ehemalige Schwimmbecken - ein Zeichen des Wohlstands der Feudalkasbah - und stellen uns die Frage, woher das Wasser dafür kam.
Um dies zu verstehen, muss man ein wenig weiter in die Vergangenheit gehen. Um für fruchtbares Land in Siedlungsnähe zuverlässige Bewässerungsmöglichkeiten zu gewährleisten, bediente man sich einer vermutlich bereits vor 4000 Jahren entwickelten Technik der Wassergewinnung. Über Khettaras - unterirdische Kanäle - ließ sich Wasser verdunstungsfrei kilometerweit an seinen Bestimmungsort leiten. Für ihren Bau wurden zuverlässige Wasservorkommen gesucht, wie Quellen, Grundwasservorkommen an Berghängen oder das Schwemmland eines Flusses. So ließ sich eine niederschlagsunabhängige Wasserversorgung auf den Feldern erreichen.
Spezialisten, die Moqannis, wurden mit dem Bau einer Khettara beauftragt. Sie verfügten über das Wissen, wie stark das Gefälle des Kanals sein durfte, damit das fließende Wasser die unbefestigten Stollenwände nicht erodierte und einstürzte. Sie hatten die Erfahrung, in welchen Abständen vertikale Öffnungen für die Luftzufuhr sowie die Beseitigung des Aushubs notwendig waren. Zuerst entstand ein vertikaler Schacht, von dem aus horizontal unter Tage mit einfachsten Werkzeugen wie kurzen Hacken und Schaufeln weitergegraben wurde.
Die Arbeiter stützten sich dabei allein auf ihr Wissen über die geologischen Gegebenheiten. Schächte und Stollen waren nie gesichert, Verletzungen bis hin zum Tod durch Ein- oder Absturz waren daher nicht selten. Die Schächte hatten eine Breite und Höhe von 80 bis 150 cm, abhängig von den geologischen Bedingungen.
So gelangte das Wasser sauber und ohne Nutzung fremder Kräfte dorthin, wo es gebraucht wurde, und konnte in einem Sammelbecken aufgefangen werden. Nach festgelegten Nutzungsrechten wurden tagsüber die Gärten bewässert, nachts füllte sich das Becken wieder. Ein Blick auf eine Karte verrät, dass die Oasen im Norden Skouras einst von einem dichten Netz, noch heute sichtbarer, Khettaras mit Wasser versorgt wurden.
Fallen in regelmäßigen Abständen überdimensionale, maulwurfhügelartige Erhebungen auf, kann man sicher sein, eine vertikale Khettara-Öffnung gefunden zu haben. Oft gelingt von oben ein Blick in die Tiefe auf die einst wasserführende Rinne. Erst das Absinken des Grundwasserspiegels in den 1970er Jahren, bedingt durch die Ausbeutung mit Motorpumpen, führte zum Austrocknen vieler Mutterbrunnen. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Wasser des Schwimmbeckens der Kasbah Caïd Aït Chaïr einst über Khettaras herangeführt wurde.
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Bereits in dieser Serie erschienen:
- GPS Waypoints Marokko - Morocco - Maroc, ISBN 9783943752359
- Stadtplan Agadir + Cityplan Inezgane + Ausflugstipps - ISBN 9783943752366
. - J10: Essaouira • Sidi Kaouki • Jbel El Hadid + Altstadtplan Essaouira. ISBN 9783943752717
- J12: Agadir • Taghazout • Imouzzer + Cityplan Agadir, 2019, ISBN 9783943752373
- K13: Tafraoute nord - Tizourgane – Igherm, ISBN 9783943752380
- K14: Tafraoute • Amtoudi • Aït Mansour • Tanalt • 1:120.000, 2023, ISBN 9783943752397
- K15: Amtoudi • Fam El Hisn • Ifrane • Taghjijt, 2022, ISBN 9783943752649
- L11: Asni • Imlil • Oukaïmeden • Setti-Fatma + Wanderkarte Toubkal &Lac d`Ifni, 2021, ISBN 9783943752656
- L14: Tata - Akka - Tadakoust - Jbel Bani, ISBN 9783943752663
- M11: Aït-Ben-Haddou • Ouarzazate • Skoura + Straße der Kasbahs I, 2022, ISBN 9783943752670
- M12: Taznakht • Anzal • Aït Saoun • Alloughoum • Jbel Sirwa est - ISBN 9783943752694
- M13 Foum Zguid • Tissint • PN d'Iriqui ouest • Jbel Bani, ISBN 9783943752878
- N10 Aït Bouguemez • M’Semrir • Boumalne Dadès • Kelâa M’Gouna + Straße der Kasbahs III, ISBN 9783943752885
- N11: Skoura • Kelâa M’Gouna • N’Kob • Jbel Sarhro + Straße der Kasbahs II - ISBN 978394375295
- Preisnachlass bei Bündel-Abnahme ab 4 Blättern. Die Staffelpreise werden im Shop von HUBER Kartographie GmbH bei allen Produkten angezeigt.