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Suq al-Attarin: Magie der Märkte des „Orients“

Die Märkte des Orients tragen einen Zauber in sich, der an die Erzählungen von Tausendundeiner Nacht erinnert. Ihre bloße Erwähnung ruft Bilder herauf von Karawanen, die über die Seidenstraße zogen, beladen mit kostbaren Stoffen, duftenden Gewürzen und kunstvollen Manuskripten. Ebenso finden sich die Spuren jener Karawanen, die aus den Wüsten Afrikas kamen, bepackt mit Elfenbein, Gold und Fellen, auf ihrem langen Weg zum Mittelmeer. Und dann sind da jene Karawanen, die aus den Randgebieten der afrikanischen Wüstenküste - aus Kawa und Timbuktu - zurückkehren.

Gesamter Beitrag

Besonders in Fès, dem pulsierenden Handelsherz des Westens, verbinden sich die Wege der Karawanen. Die Märkte hier sind nicht nur Orte des Handels, sondern auch Knotenpunkte sozialer, religiöser und wirtschaftlicher Dimensionen, die über Nordafrika hinaus bis in das östliche Mittelmeer strahlen. In den verwinkelten Gassen, umrahmt von handgefertigten Waren und üppigen Düften, offenbart sich ein Schauspiel der Sinne. Die Märkte überfluten den Besucher mit Farben, Aromen und einer Lebendigkeit, die ihresgleichen sucht. Weihrauch, Parfüm und Gewürze erfüllen die Luft, während sich die Stände wie ein lebendiges Mauerwerk aneinanderreihen.

Im Zentrum dieser lebendigen Ströme liegt der Suq al-Attarin, das Herz des Gewürzhandels. Mit seinen vierzehn Seiteneingängen und zwei Haupttoren verbindet er die verschiedenen Märkte der Stadt. Seine Lage am Handelskomplex der Qissariya und nahe der Al-Qarawiyyin-Moschee verleiht ihm zusätzliche Bedeutung. Einst gab es dort eine eigene Wasserstelle, das Maristan Sidi Frej, das unter der Herrschaft der Meriniden-Dynastie errichtet wurde. Die Zugänge zum Suq al-Attarin führen zu angrenzenden Märkten wie dem Suq al-Bali und dem Suq as-Sellham, bekannt für seine traditionellen Umhänge.

Auch Suq ad-Diwan, ein ehemaliges Zentrum für kostbare Waren, war nicht nur ein Ort des Handels, sondern auch ein Platz mit kultureller und religiöser Bedeutung. Die gleichnamige Moschee ad-Diwan bot Gläubigen die Möglichkeit, das Freitagsgebet nachzuholen, falls sie es an der Qarawiyyin-Moschee verpasst hatten. In den verwinkelten Gassen liegt zudem Suq as-Sagha, einst Zentrum der Goldschmiede, der sich später zum Großhandelsmarkt wandelte, insbesondere für Tee und Zucker.

Zwischen diesen Märkten erhebt sich die Moschee Iyaḍ, eine Moschee, die nach dem Gelehrten Qaḍi Iyaḍ benannt wurde. Dieser lehrte während der Almohaden-Dynastie in Fès und hinterließ Werke, die den Osten mit dem Wissen des Westens verbanden. Ebenso bedeutend ist Madrassat al-Attarin, gegründet 1325 n. Chr., die einst ein Zentrum der Sprachwissenschaft war und als eine der architektonisch schönsten Schulen der Meriniden gilt.

Suq al-Attarin selbst ist eine lebendige Erinnerung an alte Zeiten: ein Labyrinth aus Parfümhändlern, Gewürzständen und Apotheken, die ihre Waren kunstvoll ausstellen. Historische Quellen berichten von seiner Blütezeit, als Händler aus aller Welt hier ihre Schätze anboten. Heute jedoch mischen sich moderne Konsumgüter unter die traditionellen Waren, und die einst betörenden Düfte werden zunehmend durch Importe ersetzt. Dennoch bleibt Suq al-Attarin ein Zeugnis der Handelsgeschichte Fès, ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen.

 


Suq al Attarin

Gewuüzhändler, Foto: Eberhard HahneDie Märkte von Fès, mit ihrem eigenen, einzigartigen und unverwechselbaren Charakter, waren ein Knotenpunkt, der die Karawanen verband, die aus dem Osten kamen oder sich auf den Weg dorthin machten, sei es von der Wüste her oder in Richtung der Wüste. Sie waren nicht nur Orte des Kaufs und Verkaufs, sondern auch Märkte, die historische Ereignisse und Momente widerspiegelten, in denen sich wirtschaftliche, soziale und religiöse Dimensionen miteinander verknüpften. Ihre Flügel reichten bis in das West- und Zentralafrika, und ihr Ruf für Handel erstreckte sich weit über das östliche Mittelmeer und Südeuropa hinaus.

Es sind Räume, die mit Erfahrungen gefüllt sind, die die Tiefen von List, Geschicklichkeit und Cleverness ergründen. Ihre Auslagen bieten nicht nur eine visuelle Anziehungskraft, sondern auch eine Quelle des Staunens und der Bewunderung. Ihre Waren und Kreationen sind ein Schauspiel für die Sinne. Diese Märkte überfließen mit lebhaften Szenen voller Farben und Düfte, ein üppiger Raum für die fünf Sinne. Sie entfalten ihre Besonderheit durch handgefertigte Produkte, die sowohl den Einheimischen als auch den Besuchern präsentiert werden. Es sind Orte, die von einem Überfluss an Weihrauch, Parfüm, Speisen und köstlichen Aromen sowie königlichen Düften durchzogen sind, ein brodelndes, sich ständig bewegendes Schauspiel, das täglich geöffnet wird für die ansässigen wie auch die Durchreisenden.

Diese Märkte sind keine Räume, die von Hallen oder zusammenhängenden Handelskomplexen begrenzt werden, wie es in anderen orientalischen Märkten der Fall ist - wie zum Beispiel im Al-Hamidiya-Bazar in Damaskus, den Basaren in Isfahan oder den Handelszentren in Istanbul. Vielmehr bestehen diese Märkte aus Läden und Geschäften, die nebeneinander angeordnet sind und sich in Größe, Weite, Enge und Höhe unterscheiden. Sie fügen sich wie ein zusammenhängendes Mauerwerk zusammen, das sich gegenseitig stützt und fest miteinander verbunden ist. Doch die schönsten, faszinierendsten und spannendsten dieser Geschäfte sind die, die sich um die Al-Qarawiyyin-Moschee gruppieren, oder die, die den Schrein von Moulay Idris umgeben, oder die, die in den Gassen der Qissariya-Straßen angeordnet sind. An oberster Stelle steht der Markt, der sich von der nordwestlichen Seite der Qissariya erstreckt, der längste und geradeste Markt, der sich über die gesamte alte Medina zieht und eine bemerkenswerte Vielfalt bietet.

Lebendige Handelsströme und ihre Geschichten

Fes Madina, Bu'anania Straße Tal'a Lakbira

Der Markt gleicht einem breiten, lebendigen Strom, aus dem sich Seitenarme verzweigen - kleine Märkte, die wie Bäche in ihn münden und zugleich ihre Lebenskraft von ihm empfangen. Noch immer bewahren diese Märkte ihr ursprüngliches architektonisches Antlitz, unverändert seit den Tagen ihrer Gründung. Sie tragen die Erinnerung an das Idrissidische Fès in sich - lebendig, atmend - und ihre Namen hallen von der Geschichte wider. Diese Orte fingen die Fantasie zahlloser Künstler ein und wurden zur Bühne historischer Erzählungen: So etwa für den syrischen Regisseur, Schriftsteller und Produzenten Hatem Ali, der die Altstadt 2003 als Schauplatz für Szenen seines historischen Fernsehwerks „Der Frühling von Córdoba“ wählte.

Suq al-Attarin - Zentrum des Gewürzhandels

Suq al-Attarin (Gewürzmarkt) hat vierzehn Seiteneingänge, von denen drei direkt zum Handelskomplex der Qissariya führen, mit zwei Haupttoren im Westen und Osten. Ein Tor führt zum Suq el-Mjadlin (Kaftangürtel) und dem Schrein von Moulay Idris, ein weiteres Tor zum Suq al-Henna und ein weiteres zum alten Maristan-Gebäude. Dieser Markt hatte seine eigene Wasserstelle, die als „Wasserversorgung des Suq al-Attarin“ bekannt war. Neben diesem Tor befand sich das „Maristan Sidi Frej“. Der letzte Sultan der Meriniden-Dynastie, Abd al-Haq ibn Othman, beauftragte seinen Minister Abu Zakariya Yahya al-Wattasi mit dem Bau dieses Maristans im Jahr 1436 n. Chr. 1680 n. Chr. wurde es erneuert, bevor es schließlich aufgegeben wurde, da es sich zu nahe an der Wasserversorgung von Sidi Frej befand.

Auf der anderen Seite des Suq Attarin führen mehrere weitere Zugänge in benachbarte Märkte: zwei Eingänge führen zum Suq al-Bali, ein dritter zum Suq as-Sellham (der auf traditionelle Umhänge spezialisiert ist), ein weiterer zur Viertel der Schneider und zum Suq at-Tellis und ein anderer zum Suq al-Hanbal.

Der Suq ad-Diwan - Handelszentrum mit spirituellem Herz

Einer der wichtigsten Zugänge ist der zum Suq ad-Diwan. Dieser Übergang öffnet sich zu einem Markt, der einst einen glanzvollen wirtschaftlichen Frühling erlebte - ein Hinweis, der bereits in seinem Namen „ad-Diwan“ (Verwaltung oder Schatzkammer) mitschwingt. Hier wurden kostbare Waren gehandelt, aus Ost und West eingeführt: feine Stoffe, edle Düfte, kunstvolle Gerätschaften und luxuriöse Handwerksprodukte.

Suq ad-Diwan war nicht nur ein Ort des Handels, sondern auch ein Platz mit eigenen kulturellen und religiösen Merkmalen. So etwa die gleichnamige Moschee, die „Moschee ad-Diwan“, die sich durch eine besondere Eigenheit auszeichnete: Die Freitagsgebete wurden dort bewusst später abgehalten als in der Qarawiyyin-Moschee, sodass jene, die das Gebet an anderen Orten verpasst hatten, hier noch Gelegenheit fanden, daran teilzunehmen.

Bildung und Patriotismus in der Kolonialzeit

Wenn man durch die verschiedenen Läden und Warenhäuser dieses Marktes schreitet, gelangt man am Ende zu einer Gasse mit dem Namen „Darb Sidi Bennani“. Diese Gasse birgt zwei bedeutende Stätten - eine wissenschaftlicher, die andere nationaler Natur. Denn hier befindet sich das Mausoleum eines der größten Rechtsgelehrten des 18. Jahrhunderts in Marokko, Sidi Bennani. Wie der Gelehrte Dr. Mohammed at-Tazi Saud sagte: „Dieser Mann war eine ganze Universität für sich allein.“ Sidi Bennani war vierzehn Jahre lang Imam und Prediger im Schrein von Moulay Idris und hielt dort täglich - von der Morgendämmerung bis zum Abendgebet - Unterricht für seine Schüler. Er begann mit der Auslegung des Korans, dann folgten Hadith-Unterricht, Grammatik mit Ibn Maliks-„Alfiya“ (الفية ابن مالك), dann das Buch „Asch-Schama-il“ von Tarmidi (كتاب الشمائل المحمدية للترميذي) und schließlich eine Auswahl der wichtigsten Werke jener Zeit.

Seine Schüler kamen und gingen, Jahr für Jahr - doch der Lehrer blieb. Er war gleichsam eine wandelnde Bibliothek, ein lebendiges Wissensarchiv auf zwei Beinen.

Die zweite bedeutende Stätte in dieser Gasse ist die Freie Schule (al-Madrassa al-Hurra), die während der Zeit des französischen Protektorats zu den bedeutendsten nationalen Bildungsinstitutionen zählte. Sie entstand als patriotisches Projekt zum Schutz der sprachlichen und religiösen Identität des marokkanischen Volkes - einer Identität, die die Kolonialmacht systematisch zu untergraben versuchte. Gegründet wurde diese Schule von al-Haj Ahmad al-Muz‘allak at-Tazi nach seiner Rückkehr vom Studium in Ägypten sowie von Ahmad Ghallab, dem Vater des bekannten Schriftstellers Abd al-Karim Ghallab (1919-2017).

Zahlreiche führende Persönlichkeiten der nationalen Bewegung unterrichteten dort, unter ihnen Allal al-Fassi (1910-1974) und Abd al-Aziz ibn Idris (1907-1959). In dieser Gasse befand sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts außerdem eine Filiale der Arabischen Bank - ein Zeichen für die wirtschaftliche Bedeutung des Viertels.

Bis in die frühen 1960er Jahre hinein galt dieses Gebiet als einer der wichtigsten Handelsplätze - nicht nur in Fès, sondern in ganz Nordafrika. Es fungierte gewissermaßen als eine Art Warenbörse, in der Güter aller Art gehandelt wurden.

Suq as-Sagha - Vom Goldschmuck zum Großhandel

as-Sagha-Platz: Eberhard HahneAngrenzend an diesen Teil des Markts liegt ein weiterer bedeutsamer Suq - der Suq der Goldschmiede (Suq as-Sagha). Einst war dieser Ort das Herzstück der Herstellung und des Verkaufs von Schmuckstücken. Als sich diese Tätigkeit in andere Teile der Stadt verlagerte, wandelte sich der Markt zu einem Zentrum des Großhandels, insbesondere für Tee und Zucker. Diese Waren kamen in großen Holzkisten oder in Jutesäcken, eingewickelt in Strohballen, an - zusammen mit vielen anderen Gütern des täglichen Bedarfs, die von den führenden Großhändlern der Stadt vertrieben wurden.

Suq des Handels und des Wissens (سوق التجارة والمعرفة)

Zwischen dem Suq ad-Diwan, dem Suq der Goldschmiede (as-Sagha) und dem sogenannten Suq ad-Dhehbane (سوق الذهبان) - einst Zentrum des Goldschmuckhandels und im Volksmund „ad-Dhehbane“ (wörtlich: „Markt der Fliegen“) genannt - befindet sich eine geschichtsträchtige Moschee: die Dschāmiʿ ʿIyāḍ, benannt nach dem berühmten Gelehrten, Juristen und Historiker Qāḍī ʿIyāḍ (1083-1149).

Dieser herausragende Vertreter der islamischen Rechts- und Gelehrsamkeit lehrte in dieser Moschee während seines Aufenthalts in Fès. Dorthin war er von der Almohaden-Dynastie (1121-1269) aus Marrakesch in die Region Tadla verbannt worden - ein Akt der Strafe, da er sich weigerte, die Absetzung der Dynastie der Almoraviden (1056-1147) anzuerkennen und sich dem neuen Herrschaftsanspruch der Almohaden zu beugen.

Über Qaḍi Ayaḍ sagt man bis heute: „Wäre nicht Ayaḍ gewesen, hätte der Osten niemals vom Westen Kenntnis genommen.“ Zu seinen bekanntesten Werken zählen das berühmte „Heilung durch die Kenntnis der Rechte des Auserwählten“ sowie das biographische Werk über die bedeutendsten Rechtsgelehrten der malikitischen Rechtsschule.

Leo Africanus über Suq al-Attarin

Suq al Attarin

Der Name „Suq al-Attarin“ begegnet uns in zahlreichen alten orientalischen Städten, doch Suq al-Attarin in Fes ist kein Kind der Gegenwart - seine Erwähnung reicht weit in die Geschichte zurück. Viele historische Quellen berichten von ihm, und über seine Blütezeit gibt uns insbesondere der Gelehrte al-Hasan al-Wazzan (auch bekannt als Leo Africanus, 1488 bis ca. 1554) in seinem Werk Beschreibung Afrikas eindrucksvolles Zeugnis. Dort schreibt er:

Nördlich angrenzend an die Qissariya liegt der Suq al-Attarin, der sich in einer schmalen Gasse erstreckt, in der sich etwa hundertfünfzig Läden befinden. Die Gasse ist an beiden Enden durch zwei prächtige Tore abgeschlossen, die ebenso robust wie imposant gebaut sind. Die Händler des Suqs übernehmen die Kosten für Nachtwächter, die mit Laternen, Hunden und Waffen bewaffnet durch die Gassen patrouillieren.

Hier werden Waren verkauft, die mit der Kunst der Parfümerie und der Heilkunde zu tun haben - jedoch werden in diesem Markt weder Tränke noch Salben oder Pasten zubereitet. Denn die Ärzte bereiten ihre Medikamente zu Hause zu und senden sie dann an ihre Läden, wo sie von Angestellten gegen Vorlage eines Rezepts ausgegeben werden. Die meisten dieser Apotheken befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Läden der Attarin.

Die einfachen Leute hingegen kennen weder Ärzte noch Medizin. Die Geschäfte der Attarin sind reich verziert, mit kunstvollen Decken und feinen Holzschränken versehen - ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt einen schöneren Suq dieser Art gibt. Zwar habe ich in Tauris, einer Stadt Persiens, einen sehr großen Suq der Parfümhändler gesehen, doch bestehen die Läden dort aus halbdunklen, wenn auch eleganten Galerien mit Marmorsäulen. Dennoch ziehe ich den lichtdurchfluteten Suq von Fes jenem düsteren persischen vor.

Madrasa al-Attarin - Hochburg der Sprachwissenschaft

Der östliche Zugang des Suq al-Attarin verbindet die Altstadt von Fes mit mehreren Wegen, die zum berühmten Qarawiyyin-Komplex und zu den umliegenden Märkten führen. Direkt gegenüber liegt ein herausragendes wissenschaftliches Bauwerk aus der Zeit der Meriniden: die Madraasat al-Attarin. Diese Schule wurde - wie auf ihrer Gründungstafel im Inneren vermerkt - im Jahr 1325 n. Chr. errichtet. Der Sultan Meriniden Abu Said Othman (Reg. 1310 bis 1331) beauftragte den Gelehrten Abu Mohammed al-Mazwar (الشيخ ابا محمد المزوار) mit der Bauaufsicht. Ziel der Gründung war es, die Lehre an der Qarawiyyin-Moschee zu stärken und gleichzeitig eine Unterkunft für ihre Studierenden zu schaffen.

Madrassat al-Attarin gilt als eine der architektonisch schönsten Schulen der Meriniden und gehört zu einem Ganzen Netzwerk solcher Bildungseinrichtungen in marokkanischen Städten, besonders in Fes. Bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein war sie ein offizieller Zweig der Qarawiyyin-Universität, mit Schwerpunkt auf Sprachwissenschaft. Im Mittelpunkt standen das Werk „Kitab“ des großen Grammatikers Sibawayh (إمام النحاة عمرإبن عثمان الحارثي المعروف بسبويه, ca. 765-796) sowie die berühmte „Alfiya“ von Ibn Malik (1203-1274). Die Madrassa war bekannt für ihre Strenge - nur besonders begabte Studierende im Bereich der arabischen Grammatik wurden zur Ausbildung zugelassen.

Da donnerstags und freitags unter den Studenten als Wochenendtage galten, verwandelte sich die Madrassa donnerstags regelmäßig in einen Buchmarkt, auf dem Bücher in Auktionen verkauft wurden. Diese Tradition blieb bestehen, bis der Buchmarkt in den Gebäudekomplex der Moschee al-Jana'iz (جامع الجنائز) - einem Teil der Qarawiyyin-Moschee - verlegt wurde.

Von der östlichen Pforte des Suq al-Attarin führt ein Weg nach Norden hinab zu einem Markt, der bis heute den Namen einer arabischen Stammesgruppe aus der Zeit der Hilaliya (القبائل الهيلالية) trägt, die im 11. Jahrhundert aus dem Osten nach Nordafrika migriert war. Der größte Teil dieser Stämme gehörte zum Stamm der Qays (الفخض القيسي), von dem sich einige in diesem Teil von Adwat al-Qarawiyyin niederließen. Der Name des Viertels und des Marktes lautet daher bis heute „Rahbat Qays“. Die arabische Migration nach Nordafrika wird in der islamischen Geschichtsschreibung - etwa bei Ibn Khaldun - als „Hilaliya-Wanderung“ oder auch „Qays-Wanderung“ (الهجرة الهلالية او الهجرة القيسية) bezeichnet.

Rahbat Qays und die Moschee der Lebbarin

Mitten in diesem Markt, nur wenige Dutzend Meter von der östlichen Pforte des Suq al-Attarin und der Madrassa entfernt, steht eine Moschee, eine der ältesten in Adwat al-Qarawiyyin. Sie ist unter dem Volk als „Moschee der Lebbarin“ bekannt - ihr eigentlicher Name ist jedoch „al-Nebbarin“, was sich vom arabischen Wort „nabara“ ableitet und so viel bedeutet wie: „seine Stimme erheben, etwas hervorheben oder mit Zustimmung versehen“, wie in klassischen Wörterbüchern erläutert wird. Diese Moschee hatte eine wichtige gesellschaftliche Funktion: In ihr fanden je nach Bedarf und in regelmäßigen Abständen Versammlungen eines beratenden Gremiums statt. Dieses bestand aus Experten für verschiedenste Lebensbereiche, die der Bevölkerung bei der Lösung sozialer Fragen zur Seite standen - etwa bei Eheschließungen, Nachbarschaftskonflikten, Handelsstreitigkeiten oder Wasserverteilungen. Reine Rechtsfragen blieben dabei außen vor. Auch diese Moschee war in das Bildungsnetz der Qarawiyyin eingebunden und bot Unterricht in verschiedenen religiösen Fächern an.

In dieser Moschee befindet sich eine auffällige Säule aus rotem Marmor, die heute an der rechten Seite des alten Waschbereichs steht. Ursprünglich gehörte sie zum Eingang des Qarawiyyin-Büchermagazins, das an die Moschee grenzte. Gläubige, insbesondere Frauen, suchten früher diese Säule auf, um sich segensreich an ihr zu reiben, Amulette daran zu befestigen und ihre heilende Wirkung zu erbitten. Als dieses Verhalten überhandnahm, ordnete der damalige Qadi (Richter) an, die Säule in das Waschhaus dieser Moschee zu versetzen - als mahnendes Beispiel. Sie sollte den Gläubigen vor Augen führen, dass weder Steine noch Säulen Heilkräfte besitzen. Denn wäre sie tatsächlich wundertätig gewesen, so hätte sie sich gewiss nicht gefallen lassen, als bloßer Stützpfeiler in einem Waschraum zu enden.

Maßeinheiten, Kolonialer Widerstand und nationale Solidarität

Der Suq al-Attarin war nicht bloß ein Ort des Handels, sondern spielte auch eine zentrale Rolle bei der Festlegung von Maß- und Gewichtseinheiten für den Warenverkehr. Roger Le Tourneau berichtet im ersten Band seines bekannten Werkes „Fès avant le protectorat“, dass die merinidischen Herrscher einst offiziell die Länge der Elle bestimmten, mit der Stoffe gemessen wurden. Zwei Marmortafeln wurden zu diesem Zweck angefertigt: eine davon wurde neben dem Büro des Marktaufsehers bei Sidi Frej befestigt, die andere zwischen den Läden des Suq al-Attarin. Später, im Jahr 1818-1819, ließ Sultan Moulay Sulaiman die Elle für importierte Stoffe (sog. qala) normieren und ordnete an, diese am Gemäuer eines Ladens im Suq al-Qutniyya (جدار دكان بسوق القطنية) anzubringen. Der Brand von 1905 allerdings zerstörte beide merinidischen Maßtafeln.

Dies war jedoch nicht das letzte Feuer, das den Suq al-Attarin heimsuchte: Im Jahr 1918 setzte die französische Kolonialmacht den Markt in Brand - mit dem Ziel, die finanzielle Stärke jener Kaufleute zu schwächen, die den bewaffneten Widerstand unterstützten, sei es in den Städten oder auf dem Land. Dieser Kampf dauerte bis ins Jahr 1933 an. In diesem Suq wurde sogar ein Komitee gebildet, das unter den Händlern Geld für die Unterstützung des Rif-Aufstands unter der Führung von Al Amir Mohammed ibn Abd al-Karim al-Khattabi (1882-1973) sammelte - ein Freiheitskampf gegen die Kolonialherrschaft von 1921 bis 1926. Sein Konsul in Fès (bevor Frankreich und Spanien sich im Krieg gegen ihn vereinten) war Umar al-Hajwi (عمر الحجوي). Ihm wurden die Beutestücke der Rif-Kämpfer übergeben: Maultiere, Pferde, Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Diese verkaufte er, um mit dem Erlös Getreide und andere Lebensmittel für die Aufständischen zu beschaffen.

Der alte Aufbau des Suq al-Attarin und das Rätsel der „Joteya“

Einst eröffnete sich der Suq al-Attarin an seinem östlichen Zugang mit Verkaufsständen für Bücher und Schulmaterialien - ein Bereich, der bis heute Bestand hat. Daran schloss sich der Abschnitt mit Werkzeugen für das Schneiderhandwerk an, gefolgt von Kleidungsstücken, wie sie die Landbevölkerung trug, dann die Parfümerien - und schließlich der Bereich für Gewürze und alles, was mit der Küche und der Körperpflege zu tun hatte: Henna, Seifen, Tonerde. Dieser letzte Abschnitt grenzte direkt an den Suq L-Henna und mündete weiter in die Märkte der Metzger, Fischhändler sowie Gemüse- und Obsthändler. In der Wintersaison wurden dort Zentnerladungen von Schnecken angeboten, im Herbst Olivenfrüchte, und im Frühling Rosen- und Orangenblütenblätter, die die Bewohner von Fès wie eh und je zu aromatischem Blütenwasser destillieren.

All diese Waren vereinten sich an einem Ort, der den Namen Joteya (الجوطية) trägt. Über die Herkunft dieses Begriffs gehen die Meinungen auseinander. Manche führen ihn auf das französische „jeté“ (wegwerfen) zurück- in Anspielung auf die Kolonialzeit und eine angeblich eingeführte Praxis der Lebensmittelausgabe. Doch es scheint, dass dieser Name älter ist als die französische Besatzung. Bereits der marokkanische Gesandte und Reiseschriftsteller Mohammed ibn Abdallah al-Saffar erwähnte die Joteya in seinem Werk „Die Reise as-Saffars nach Frankreich“ (1845-1846), als er notierte: „In ihren Märkten gibt es keine Joteya, in denen über Makler verkauft wird, wie es bei uns üblich ist.“

Andere deuten den Begriff als Ableitung des Namens eines alten Dorfes namens „Jauta“ (اسم القرية التاريخية جوطة), oder führen ihn auf das arabische Wort „Joqa“ zurück - was große „Menschenmenge“ bedeutet. Der Begriff Joteya wird heute allgemein für jeden belebten Umschlagplatz von Waren verwendet. Die Joteya des Suq al-Attarin jedoch war speziell auf Lebensmittel und Nahrungsmittelprodukte ausgerichtet.

Eine Duftquelle und das langsame Verschwinden einer Identität

Gewürze, as-Sagha-Platz: Eberhard HahneSuq as-SaghaSeinen Namen verdankt Suq al-Attarin den einst zahlreich vertretenen Parfümhändlern - jenen Läden, aus denen die betörenden Düfte von Kräutern und wohlriechenden Pflanzen aufstiegen. (Auch wenn der Begriff Attarin im marokkanisch-arabischen Volksmund heute oft ganz allgemein den Gewürzmarkt bezeichnet.)

Die Bewohner von Fès pflegten seit jeher eine besondere Leidenschaft für das Destillieren von Blüten und Kräutern - Rosen, Orangenblüten, Lavendel, Minze und all jene Pflanzen, die in der jeweiligen Jahreszeit selten geworden waren. Die Kunst der Parfumherstellung war in Fès seit langem verankert. In früheren Zeiten gab es ganze Familien, die sich auf die Gewinnung edler Düfte spezialisiert hatten - aus Rosen, Orangenblüten, Moschus, Ambra, verschiedenen Kräutern und Harzen.

Früher exportierten die Menschen von Fès ihre Duftwaren in höchster Qualität sogar bis nach al-Andalus und Europa. Heute jedoch stützt sich der Suq al-Attarin in diesem Bereich fast ausschließlich auf importierte Produkte: günstige Düfte, Öle und Essenzen, meist aus asiatischen Ländern. Und nicht nur das: Konsumgüter wie Mobiltelefone, Uhren und elektronische Spielzeuge haben den Markt regelrecht überflutet. Sie drängen sich zwischen die traditionellen Waren und nehmen jenen alten, feineren Handelszweigen, für die der Suq al-Attarin einst berühmt war, immer mehr den Platz - bis an den Rand ihres Verschwindens.

Die äußere Gestalt des Suq al-Attarin mag zunächst noch dieselbe sein - die Läden, die Gassen, der vertraute Rahmen. Doch seine wahre Identität beginnt in rasantem Tempo zu verblassen.

So, als würde man nach Jahren an einen alten Ort zurückkehren - der Geliebte ist fort, und das Land scheint unverändert. Doch nichts ist, wie es war.

Über Idriss Al-Jay