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Flucht ohne Wiederkehr: Zwischen Angst und Freiheit - Zwischen Ohnmacht und Erwachen

Seite 7 von 7: Zwischen Ohnmacht und Erwachen

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Ergänzung durch die Redaktion:

Zwischen Ohnmacht und Erwachen

Fahd lag reglos auf dem Boden. Sein Atem ging in flachen, unregelmäßigen Stößen, sein Gesicht war fahl, als hätte das Leben ihn für einen Moment verlassen. Souad kniete neben ihm, ihre Finger zitterten, als sie vorsichtig seine Wange berührte. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

„Fahd! Bitte, wach auf!“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern in der erdrückenden Stille des Raumes, doch sie trug das Flehen eines Menschen, der nach Rettung suchte. Sie schüttelte ihn sanft, ihr Herz raste.

Keine Reaktion. Nur das leise Ticken der Wanduhr, das ihr in diesem Moment wie das unaufhaltsame Abzählen eines drohenden Endes vorkam.

Sie beugte sich über ihn, spürte die noch vorhandene Wärme seines Körpers, das Zittern seiner schwachen Atmung. Er war noch da. Hastig griff sie nach dem Wasserglas auf dem Tisch, ließ einige Tropfen auf seine Stirn perlen. Ein weiteres Mal rief sie seinen Namen - diesmal mit Nachdruck, fast verzweifelt.

Dann - ein Zucken. Ein Stöhnen.

Fahds Lider flackerten, als kämpften sie gegen die Dunkelheit, die ihn gefangen hielt. Schließlich öffnete er langsam die Augen, sein Blick war trüb, verloren zwischen Traum und Realität.

„Was…?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch, brüchig, fremd.

Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Souad legte behutsam eine Hand auf seinen Arm, half ihm, sich mühsam aufzusetzen.

Er blinzelte, als müsse er ihre Gestalt erst nach und nach erkennen. „Was machst du hier?“ Seine Worte klangen rau, nicht feindselig, sondern wie die eines Mannes, der nach Antworten suchte, ohne die Kraft zu haben, sie zu verstehen.

Souad wich seinem Blick aus. „Du bist zusammengebrochen… Ich wusste nicht, ob…“ Sie verstummte, rang um Fassung, während ihr Brustkorb sich hob und senkte.

Fahd lehnte sich schwer gegen das Sofa, fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durchs Haar. „Ich bin nicht tot, wenn du das meinst.“ Ein bitteres Lächeln zuckte um seine Lippen, doch es erlosch, bevor es seine Augen erreichte.

Schweigend erhob er sich, schwankte leicht und schleppte sich zum Schreibtisch. Mit einem müden Seufzen ließ er sich in den Sessel sinken, zog eine Schachtel Alka-Seltzer aus der Schublade und ließ eine Tablette ins Glas fallen. Das leise Zischen füllte den Raum, während die aufsteigenden Bläschen sich in seinem trüben Blick spiegelten.

Die Minuten verstrichen. Die Stille lastete schwer zwischen ihnen, ein ungesagter Vorwurf, eine unausgesprochene Wahrheit. Schließlich hob Souad den Kopf.

„Fahd…“ Ihre Stimme war sanft, fast zögerlich. „Ich gehe jetzt.“

Er schaute sie an. Seine Finger umklammerten das Glas, doch er sagte nichts. Vielleicht war es Stolz, vielleicht Müdigkeit - vielleicht aber auch die Angst, etwas zu verlieren, das er in Wahrheit nie besessen hatte.

Souad wartete auf eine Antwort, ein Zeichen. Doch nichts kam. Nach einer Weile wandte sie sich ab und verließ das Büro.

Flucht aus der Grube

Kaum hatte sie den Flur betreten, zog sie das Handy hervor, tippte eine Nummer ein. Ihr Atem war flach, ihre Finger kühl. Das Freizeichen dröhnte in ihren Ohren, als sie mit belegter Stimme sagte: „Hallo? Ich bin Souad… die Frau, die du gestern Abend vor der 'Grube' abgesetzt hast.“

Am anderen Ende blieb es kurz still, dann kam die ruhige, feste Stimme des Taxifahrers. „Ja, ich erinnere mich. Was ist los? Was kann ich für dich tun?“

Souad schluckte. „Bitte, hol mich ab.“ Ein kurzes Zögern. Dann eine schlichte, verlässliche Antwort: „Ich bin schon unterwegs.“

Sie atmete tief durch, als wolle sie sich an diesem einzigen Versprechen festhalten. Dann steckte sie das Handy weg und trat wieder in den Hauptraum des Cabarets. Ihr Blick schweifte suchend durch die Menge, bis sie Suleiman entdeckte. Er saß noch immer an seinem Tisch, die Finger um sein Glas geschlossen, doch sein Blick hob sich, als sie nähertrat. Er erkannte sofort die Anspannung auf ihrem Gesicht. Ohne Umschweife sagte er leise: „Gehen wir.“

Souad nickte stumm. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, und sie folgte ihm.

Doch kaum hatten sie den Ausgang erreicht, traten zwei massige Gestalten in ihren Weg - die Türsteher. Ihre dunklen Augen funkelten misstrauisch. „Wir haben keine Anweisungen von Fahd“, sagte der Größere von ihnen mit einer Stimme, die wie ein drohendes Grollen klang. „Wir können euch nicht gehen lassen.“

Souads Magen zog sich zusammen. Die Enge in ihrer Brust kehrte zurück, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Suleiman hingegen blieb vollkommen gelassen, als hätte er mit genau diesem Widerstand gerechnet. „Wir warten nicht auf Fahds Erlaubnis“, sagte er mit ruhiger Entschlossenheit. Der Türsteher verzog keine Miene.

Doch bevor sich die Spannung weiter aufbauen konnte, zerschnitt ein lautes Quietschen die Nacht. Reifen kamen abrupt zum Stehen. Mehrere Taxis hatten sich vor dem Cabaret versammelt, und aus ihnen stiegen Männer, die bereit schienen, sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen.

Gleichzeitig trat Fahd aus der Tür und befahl den Türstehern mit knapper Stimme: „Lass sie gehen.“

Der Taxifahrer stand vor ihnen, seine Miene unbewegt, und deutete auf die offene Tür seines Wagens. „Steigt ein.“

Souleiman und Souad stiegen in das Taxi. Der Wagen setzte sich in Bewegung, doch zwischen den drei Insassen breitete sich eine gespannte Stille aus. Die Lichter der Stadt huschten vorbei, zeichneten flüchtige Schatten auf ihre Gesichter. Schließlich durchbrach der Taxifahrer die Stille: „Ich bin froh, dass Ihr unversehrt aus dieser Hölle herausgekommen seid. Was ist dort geschehen?“

Souad zögerte. Die Erinnerungen an die letzten Stunden stürmten auf sie ein, wild und ungestüm, wie ein reißender Fluss. Sie rang nach Fassung, suchte nach den richtigen Worten, um das Unaussprechliche zu beschreiben. Dann, mit einem tiefen Atemzug, begann sie zu erzählen. Die Worte strömten aus ihr heraus, fast ohne Punkt und Komma, als müsse sie all die Last, die sie so lange getragen hatte, mit einem Mal loswerden. Sie sprach von der erdrückenden Atmosphäre in der „Grube“, von Fahds tyrannischer Herrschaft, von der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit, die dort allgegenwärtig waren. Ihre Stimme bebte, als sie von dem Übergriff des Betrunkenen erzählte, von der Demütigung und der Angst, die sie dabei empfunden hatte.

Souleiman hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Seine Augen ruhten auf Souad, und er schien jedes ihrer Worte aufzusaugen. Er erkannte in ihrer Erzählung ein Echo seiner eigenen Verlorenheit, eine tiefe Sehnsucht nach einem anderen Leben.

Souad erzählte auch von ihrer Begegnung mit Souleiman. Sie verschwieg nicht, dass sie vom ersten Augenblick an das Gefühl gehabt hatte, sie seien seelenverwandt. Ein zartes Band schien sich zwischen ihnen gesponnen zu haben, ein unsichtbares Verständnis, das über Worte hinausging.

Während Souad sprach, hatte der Taxifahrer den Wagen in der Nähe des Cafés geparkt, in dem Souad mit ihren Freundinnen häufig ihre Nachmittage verbrachte. Es war ein Ort der Unbeschwertheit und der Träume gewesen, ein Kontrast zu der Dunkelheit, aus der sie gerade entflohen waren.

Wie in Trance stiegen Souad und Souleiman aus dem Taxi. Sie betraten das Café, dessen vertraute Atmosphäre Souad wie ein sanfter Hauch umfing. Sie bestellten eine große Kanne Minztee, dessen Duft die Luft mit einer süßen Frische erfüllte, und etwas zu essen. Die Wärme des Tees und die Stille des Cafés schienen eine heilsame Wirkung auf sie zu haben. Für einen Moment konnten sie die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen und sich der Hoffnung auf eine ungewisse Zukunft hingeben.

Souleiman, der nun erkannte, dass Souad ohne Bleibe war, bot ihr an, zunächst bei ihm Unterschlupf zu finden. Souad, noch immer gezeichnet von den Strapazen der letzten Stunden, vernahm in seinen Worten einen leisen Hauch von Hoffnung - ein Versprechen, das weit über das flüchtige Verwehen der Nacht hinausging. Zögernd, aber getrieben von der Sehnsucht nach Geborgenheit, nickte sie. Ihre Blicke trafen sich, und in diesem stillen Einvernehmen lag das Versprechen eines neuen Anfangs, der sie fortführen würde - weg von der Hölle der Vergangenheit, hin zu einem ungewissen, doch hoffnungsvollen Pfad.

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