Das Theater zwischen dem Ich und dem Anderen - Zwischen Leidenschaft und Schattenseiten
Auszug aus „Das Theater zwischen dem Ich und dem Anderen“ von Driss Roukhe:
Zwischen Leidenschaft und Schattenseiten
Den eigenen Platz in der Welt der Kunst zu finden, ist ein edles und lohnenswertes Unterfangen. Doch es ist zugleich eine Reise voller Hindernisse, die Mut, Ausdauer und Hingabe erfordert. In einem Land, in dem es an gesetzlichen Rahmenbedingungen für künstlerisches Schaffen und an kulturellen Infrastrukturen - Theatern, Kinos, Bibliotheken, Galerien, Forschungszentren und Ausbildungsstätten - mangelt, gleicht dieser Weg einem Aufstieg auf ungesichertem Terrain.
Und doch, trotz aller Widrigkeiten, bleibt die Sehnsucht nach künstlerischem Ausdruck ungebrochen. Wer sich von dieser Leidenschaft leiten lässt, kann selbst inmitten karger Strukturen Räume der Kreativität erschaffen - Orte, an denen die eigene Vision Form annimmt, an denen Kunst nicht nur entsteht, sondern sich entfaltet und andere berührt. Der Erfolg in dieser Welt hängt nicht allein vom Talent oder den technischen Fertigkeiten ab, sondern vor allem von der Reinheit des Herzens, von der Fähigkeit, mit Vorstellungskraft und Hingabe Bilder zu zeichnen, die in den Seelen anderer nachhallen. Wer Bewunderung und Respekt zu wecken vermag, wer mit seiner Kunst nicht nur sich selbst, sondern auch andere erhebt, der kommt dem wahren Wesen des Schaffens näher.
Denn Kunst ist weit mehr als bloßer Ausdruck - sie ist ein Zustand der Seele, ein vielschichtiger, dynamischer Prozess, der uns mit der Welt verbindet. Sie verkürzt die Distanz zwischen dem Ich und dem Anderen, spendet Trost und Klarheit, erfrischt den Geist und kultiviert das wahre, liebende und mitfühlende Selbst. Ein Künstler, der wirklich wächst, versteht, dass Schöpfung im Miteinander geschieht - dass der wahre Geist der Kunst nicht im isolierten Geniekult, sondern in der Gemeinschaft liegt. Ein Künstler leidet, wenn ein Gefährte fällt, er verteidigt, ermutigt und trägt mit, weil seine Kreativität nicht außerhalb der Gruppe existiert, sondern in ihr und durch sie gedeiht.
Die wahre Kunst eint, sie spaltet nicht. Sie ist facettenreich, aber niemals verräterisch. Sie erhebt sich über Klatsch und Missgunst, sei es im Verborgenen oder offen zur Schau gestellt. Selbst in Momenten der Not bewahrt sie ihre Würde, begehrt nicht den Ruhm anderer und nährt sich nicht an deren Niederlagen. Doch wo das Streben nach Größe ins Maßlose abgleitet, verwandelt sich Ehrgeiz in Gier, Begeisterung in Aggression. Das edle Selbst, das schöpfen und teilen wollte, wird zu einem dunklen Spiegelbild seiner selbst - heimtückisch, zerstörerisch, von Hass zerfressen.
Ein solcher Geist ist wie ein Virus, das sich heimlich in den Organismus der Kunst einnistet, zunächst unbemerkt, dann immer aggressiver, bis es den gesamten künstlerischen Körper befällt. Wo Neid und Bosheit wuchern, wo Erfolg nicht als Inspiration, sondern als Bedrohung empfunden wird, breitet sich eine Infektion aus, die nicht nur Einzelne trifft, sondern die gesamte kreative Gemeinschaft zu vergiftet.
Dieses toxische Selbst, das den Wert des Anderen nicht anerkennt, keine Grenzen kennt und in seinem Streben nur die eigene Erhöhung sucht, ist der wahre Feind der Kunst. Es muss erkannt, isoliert und bekämpft werden - nicht mit derselben zerstörerischen Kraft, sondern mit Klarheit und Entschlossenheit. Entweder heilt man es, indem man ihm die wahre Natur der Kunst offenbart, oder man hindert es daran, weiter um sich zu greifen. Denn das Virus darf niemals auf Kosten der künstlerischen Seele gedeihen.