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Das Theater zwischen dem Ich und dem Anderen

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Das Theater ist weit mehr als eine Kunstform - es ist ein Spiegel der Gesellschaft, ein Medium der Auseinandersetzung zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, zwischen dem Ich und dem Anderen.

Siehe Essay "Zwischen Leidenschaft und Schattenseiten"

Driss Roukhe widmet sich in seinem Werk „Das Theater zwischen dem Ich und dem Anderen“ (المسرح بين الأنـا والآخـر) der essenziellen Dimension des Theaters, indem er theoretische Analysen mit persönlichen Reflexionen verwebt. Seine Essays eröffnen ein vielschichtiges Panorama, das sowohl die universellen Grundsätze des Theaters als auch seine marokkanische Prägung umfasst. Hier eine Zusammenfassung:

Schon in der Antike galt das Theater als Ort der Wahrheitssuche. Sophokles' „König Ödipus“ etwa verkörpert die existenzielle Ohnmacht des Menschen gegenüber seinem Schicksal. Roukhe verweist auf Aristoteles’ Konzept der Katharsis, das den Zuschauer durch die Konfrontation mit Tragik und Schicksal zur Läuterung führt.

„Die Tragödie rührt uns nicht nur, sie fordert uns auf, unsere eigene Stellung in der Welt neu zu überdenken.“ Die existenzielle Fragestellung, die in der antiken Tragödie ihren Anfang nahm, setzt sich durch die Jahrhunderte fort. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies bei William Shakespeare, dessen „Hamlet“ zum Sinnbild der inneren Zerrissenheit des modernen Menschen wird. Der berühmte Monolog „Sein oder Nichtsein“ fasst die fundamentale Unsicherheit des Daseins zusammen - die Zerrissenheit zwischen Handeln und Zögern, zwischen Leben und Tod. Shakespeare brachte nicht nur Figuren auf die Bühne, sondern auch philosophische Diskurse, die bis heute nachhallen.

Während Shakespeare das Innenleben seiner Figuren seziert, verwandelt Bertolt Brecht das Theater in eine gesellschaftspolitische Bühne. Roukhe beschäftigt sich intensiv mit Brechts epischem Theater, das den Zuschauer aus seiner passiven Rolle befreien soll. Brechts „Verfremdungseffekt“ zwingt das Publikum, die Bühnenrealität zu hinterfragen und politische sowie soziale Fragestellungen in die eigene Lebenswirklichkeit zu übertragen.

„Das Theater muss nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln und zum Nachdenken anregen.“ Diese gesellschaftliche Dimension des Theaters ist auch im marokkanischen Kontext von zentraler Bedeutung. Roukhe zeichnet die Entwicklung des marokkanischen Theaters nach und würdigt die Pioniere, die europäische Einflüsse mit traditionellen Formen der oralen Überlieferung verknüpften. Ahmed Tayeb el-‘Elj (herausragender marokkanischer Dichter, Schriftsteller und Drehbuchautor. Er prägte die marokkanische Kultur insbesondere durch seine Beiträge zur arabischen Poesie und zum Theater...) und Tayeb Seddiki (gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker, Regisseure und Schriftsteller Marokkos. Er revolutionierte das Theater, indem er traditionelle Formen mit modernen Inszenierungen verband...) etwa schufen ein Theater, das tief in der marokkanischen Kultur verwurzelt ist und zugleich internationale Einflüsse aufnimmt - siehe insbesondere das Zusammenspiel von klassischer Dramaturgie und volkstümlicher Erzählweise, das dem marokkanischen Theater eine unverwechselbare Stimme verleiht.

„Das marokkanische Theater ist ein Spiegel der Gesellschaft, ein Ausdruck ihrer Freuden, Ängste und Sehnsüchte.“ Doch Theater ist nicht nur eine Kunstform oder ein intellektueller Diskurs - es ist auch ein Werkzeug des sozialen Wandels. Theaterprojekte helfen in sozialen Brennpunkten Jugendlichen, eine Stimme zu geben und ihre Realität kritisch zu reflektieren. Theater als Mittel der Bildung und sozialen Integration zeigt, dass „die Bühne nicht nur den Darstellern gehört, sondern der Gesellschaft als Ganzes.“

Das Theater ist eine Kunst des Dialogs - nicht nur zwischen Schauspielern und Publikum, sondern auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Tradition und Erneuerung. Das Werk ist eine vielschichtige Reflexion über diese Dialektik; die Essays sind eine Hommage an das traditionelle Theater und zugleich ein Plädoyer für dessen ständige Erneuerung. Theater ist Widerstand, Reflexion und Erweckung - und seine Zukunft hängt davon ab, wie sehr wir bereit sind, es als lebendige Kraft zu begreifen.

 

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