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Das Omen der verborgenen Karte oder das Spiel mit der Angst - Zwischen Wirklichkeit und Täuschung

Seite 3 von 3: Zwischen Wirklichkeit und Täuschung

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Die Karte   Engegennahme des BuchesMit dem Buch in der Tasche und einem entschlossenen, wenn auch flüchtigen Gefühl der Erleichterung betrat ich das Café. Die Luft war schwer von dem süßlichen Duft dampfenden Kaffees, vermischt mit dem würzigen Aroma von altem Holz und abgestandenem Tabak. Nur wenige Gäste verloren sich in der Dämmerung des Lokals, vertieft in Zeitungen oder in gedämpfte Gespräche. Ein Kellner, dessen träge Bewegungen seine Müdigkeit verrieten, nahm meine Bestellung entgegen, während ich mich an einen entlegenen Tisch setzte.

Ich ließ meinen Blick schweifen, suchte einen geeigneten Platz, um das Buch unauffällig zu hinterlassen. Die Ecke beim Fenster schien perfekt: Eine kleine Ablage, halb verdeckt von einer Zimmerpflanze… Ich zog das Buch aus meiner Tasche, schob es mit scheinbar beiläufiger Geste auf die Ablage und stand auf, um den Tisch zu wechseln. Doch dann hörte ich ein leises Räuspern hinter mir: „Entschuldigen Sie.“ Ich drehte mich um. Vor mir stand ein alter Mann, hager und in einen langen, dunklen Mantel gehüllt. „Sie haben etwas vergessen“, sagte er und hielt mir das Buch entgegen. „Dieses Buch sollte nicht verloren gehen“, murmelte er. Dann drehte er sich um und verließ das Café. Ich stand da, das Buch in der Hand.

Ich öffnete das Buch und blätterte durch die Seiten. Als ich die Stelle erreichte, an der die Karte noch eben gelegen hatte, stockte mir der Atem - sie war nicht mehr da.

Verwirrt blätterte ich zurück, aber die Karte war spurlos verschwunden. Ein Moment lang starrte ich auf die leeren Seiten. Hatte ich sie vielleicht nur getäuscht in meiner Erinnerung? War es möglich, dass sie nie da gewesen war? Vielleicht hatte ich mir alles nur eingebildet, ein flüchtiges Bild, das sich in meinem Kopf eingenistet hatte.

Langsam beruhigte sich mein Herzschlag, und der anfängliche Schock wich einer seltsamen, fast schon humorvollen Erleichterung. Die Gedanken, die mich zuvor noch beunruhigt hatten, lösten sich auf. Keine Karte, kein Fluch, keine düsteren Warnungen mehr - nur das Buch und seine Worte, die darauf warteten, entdeckt zu werden. Der ganze Spuk schien sich in Luft aufgelöst zu haben, als wäre er nie mehr gewesen als ein Hirngespinst, ein Moment der Übertreibung.

Mit einem leichten Lächeln schloss ich das Buch und legte es auf den Tisch. Der Abend hatte sich in eine ganz andere Richtung entwickelt, als ich es erwartet hatte. Kein mysteriöses Unheil, keine unsichtbaren Kräfte, die mich verfolgten. Es war einfach nur ein weiterer Abend, ein weiterer Moment des Lebens, der in seiner schlichten Normalität beruhigte. Wer weiß, was die Zukunft noch bringen würde, aber für den Augenblick war ich zufrieden, fast schon ein wenig belustigt über meine eigene Fantasie.

Ich stand auf, ging zur Theke und bezahlte die Rechnung. Während ich das Café verließ, spürte ich den frischen Wind der Abendluft auf meiner Haut, der die Gedanken des Tages hinwegtrug. Das Buch lag ruhig in meiner Tasche, und ich fühlte mich in dieser einfachen, unaufgeregten Situation unerwartet ruhig und erfrischt.

Es war kein großes Abenteuer, keine mystische Offenbarung, sondern nur ein weiterer gewöhnlicher Abend - und das war gerade das, was ich gebraucht hatte.

Über den Autor Mustapha Laghtiri 
Übersetzung aus dem Französischen

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