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Feuer, Brot und Gemeinschaft - L‘Ferrān als Spiegel der marokkanischen Kultur

Tief in den Gassen der alten Medina von Fès, wo sich Schatten und Stimmen aus Jahrhunderten überlagern, glimmen sie noch - die Öfen, die Ferrāne, die traditionellen Gemeinschaftsöfen. Ihre Zahl ist viele kleiner geworden, ihr Alltag leiser, doch noch sind sie da. Manchmal steht noch ein mit Teig belegtes Brotholz (L‘Wasla) vor einer Haustür, bereit, zum Ofen getragen zu werden - ein stilles Zeichen dafür, dass die alte Ordnung noch atmet.

Al Ferrane - Die Bäckerei: Foto Moustapha Umous

Al Ferrane - Brotregal: Foto Moustapha Umous

Idriss Al-Jay schildert in seinem eindrucksvollen Essay die Geschichte, die sozialen Dimensionen und den langsamen Wandel dieses uralten Handwerks - eine Hommage an eine Kultur des Alltags, die zu verschwinden droht.

Diese Ferrāne waren einst Herzstücke des sozialen Gefüges. Sie kannten die Namen der Familien, die Feste der Nachbarschaft, den Duft von Feiertagen und Sorgen gleichermaßen. Brot - das nicht einfach Nahrung war, sondern ein heiliges Gut, eine „Gabe Gottes“ (Niʿmat Allah) - wurde in diesen Öfen zum Symbol häuslicher Würde und kulinarischer Tradition. Die Bäcker waren Hüter dieses Wandlungsprozesses, ein Mann von Gewicht, der verehrt, gefürchtet, manchmal auch leise gescholten wurde, je nachdem, wie das Brot geriet.

Doch mit dem Einzug moderner Backöfen und der Verknappung von Brennholz gerät dieses uralte Handwerk zunehmend unter Druck. Die einst selbstverständlich gelebte Alltäglichkeit des gemeinschaftlichen Backens wird seltener, die Öfen verstummen nach und nach - nicht, weil sie ihren Platz verloren hätten, sondern weil ihnen das Feuer ausgeht.

Dieser Beitrag von Idriss Al-Jay ist eine Hommage an die Ferrāne von Fès - an ihre Geschichte, ihre soziale Bedeutung, ihre Rituale und Herausforderungen. Und zugleich ein eindringlicher Appell, diesen einzigartigen Schatz urbaner Kultur zu bewahren, ehe auch die letzten Brotbretter vor den Haustüren verschwinden.

 


Ein Handwerk, das Teig in das Rückgrat der marokkanischen Tafel verwandelt

Al Ferrane - im Ofen, Foto: Moustapha Umous

Al Ferrane - Die Bäckerei: Foto Moustapha Umous

Der Beruf des Bäckers war einst von Ehrfurcht und stillem Respekt umgeben. Er flößte den Bewohnern des Viertels eine Art Scheu ein, eine Mischung aus Zurückhaltung und stiller Meidung, die nicht aus Furcht, sondern aus Anerkennung seiner Bedeutung erwuchs. Der Gang zu seiner Backstube war unumgänglich, eine Pflicht, der man sich nicht entziehen konnte - kein Tag verging, ohne dass man vor seiner Tür Halt machte. Alt wie jung, Frauen wie Männer - alle durchquerten täglich diesen Ort, der zu einem Dreh- und Angelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens geworden war, unabhängig von Stand oder Herkunft. Der Besuch des L‘Ferrān war ein festes Ritual, ein unverrückbarer Bestandteil des Alltags - seine Erzeugnisse bildeten das Fundament der kulinarischen Kultur.

Was der Bäcker erhielt, war Teig - roh, formlos. Was er zurückgab, war etwas anderes: köstlich, unwiderstehlich, ein Genuss, dessen sich im ganzen Land niemand je überdrüssig wurde. Die Kundschaft begegnete ihm mit weicher Stimme, freundlich und bittend, stets auf Ausgleich bedacht - nicht nur mit der Bitte um Sorgfalt, sondern auch um Nachsicht. Besonders galt ihre Sorge dem hölzernen Brett, auf dem der Teig lag - der L’Wesla (الوصلة), die Verbindung zwischen Heim und Ofen. So sehr sich die Techniken und Formen der Öfen über die Zeit auch gewandelt haben - jedes kulinarische Kunstwerk beginnt mit der Kunstfertigkeit des Bäckers. Er war es, der die Freude auf dem Tisch entzündete - oder sie trübte. Geriet das Brot zu trocken oder gar angebrannt, regnete es im Viertel Schelte und Flüche - laut, aber nur in seiner Abwesenheit. Denn ein offener Streit mit dem Bäcker konnte für eine Familie zur ewigen Last werden.

Diese Form des versteckten Unmuts war über die Jahre zu einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen den Familien und ihren Bäcker geworden. So sehr, dass selbst die Dichter sie besangen. Der Meister des Malhun, Belaid as-Soussi, hat diese ambivalente Beziehung in all ihren Nuancen in seinem Gedicht „Die Bäckerin“ verewigt. Schon der erste Vers lässt keine Zweifel aufkommen: „Bei Gott, ihr Bäckerinnen, zu euch komme ich, um mein Ferran anzuklagen, der mein Brot stets zum Feind seines Ofens erklärt.

Ob es um das tägliche, unverzichtbare Brot ging oder um festliches Gebäck zu Feiertagen und besonderen Lebensereignissen, um gefüllte Teigtaschen mit Fleisch oder Fett, um getrocknetes Fleisch, Ghraïf (eine Art Pfannkuchen), belegtes Brot, oder um die kunstvolle Zubereitung von Milz und Innereien - stets führte der Weg zum Ferrān, jenem Ort, der dem Beruf seinen Namen gab und nicht umgekehrt. Nicht das Produkt stand im Zentrum, sondern der Raum, in dem das Feuer arbeitete. Bis vor wenigen Jahrzehnten war dieser Ort nicht nur ein praktischer, sondern ein gesellschaftlich und kulturell bedeutender Mittelpunkt des Alltags - ehe Gas und Strom begannen, seine Glut in den marokkanischen Haushalten zu verdrängen.

Der L‘Ferrān war eine der fünf grundlegenden Einrichtungen, die den Aufbau eines Wohnviertels in der Altstadt von Fès prägten. Seine Präsenz galt als bauliche Notwendigkeit - gleichrangig mit der öffentlichen Wasserstelle (s-Seqqaia), der Koranschule (Msid), der Moschee und dem Hammam. So wichtig war sein Platz im sozialen Leben, dass man ihm beim Anlegen neuer Stadtteile Vorrang vor dem Bau religiöser Stätten einräumte. Man sagte: „Der L‘Ferrān kam vor der Moschee.“

Auch in den Kinderreimen jener Zeit fand L‘Ferrān Erwähnung - ein Beweis für seine tiefe Verwurzelung im alltäglichen Leben, eng verbunden mit Landwirtschaft, Mühlen und der unverzichtbaren Aufgabe, das tägliche Brot zu backen: „Oh Regen, Oh Regen, Oh Ihr Bauern-Söhne, und Du Meister Bouzekri, backe mir mein Brot schneller, damit ich es mit meiner Schwester teilen kann

Man scherzte mit den Kindern: „Warum hast du die Tochter des Bäckers auf den Kopf geschlagen?“ Die Kinder wiesen die Anschuldigung erschrocken zurück - bis sie begriffen, dass mit der „Tochter des Bäckers das Brot gemeint war.

Im Viertel genoss der Bäcker höchste Achtung. Kein Fest, kein Monat verging, ohne dass er beschenkt wurde. Ihm gebührte ein Teil der Zakât al-Fitr (religiöse Pflichtabgabe zum Abschluss des Ramadans) der Hochzeitsgaben, der Opfer anlässlich der Geburt sowie ein Anteil an den im Ofen gebackenen Süßspeisen.

Die Bedeutung des Bäckers lag nicht in seiner Person, sondern in seinem Werk: der Verwandlung von Teig in ein Nahrungsmittel, das bei den Marokkanern als heilig gilt und einen besonderen Rang in ihrer Kultur einnimmt.

Al Ferrane - Die Bäckerei: Foto Moustapha Umous

Brot als heiliges Grundnahrungsmittel und kulturelles Symbol

Auch im Haushalt wird trocken gewordenes Brot, das nicht mehr frisch verzehrt werden kann, sorgfältig gesammelt - um daraus neue Speisen zuzubereiten. In der Altstadt von Fès etwa wird es zu „Takhtoukha“ (تختوخة) verarbeitet, einem Gericht mit Soße und getrocknetem Fleisch (khlîa). Oder man zerkleinert es, dämpft es wie Couscous und genießt es mit Zimt, Zucker und Milch. In anderen Regionen Marokkos entstehen daraus ganz eigene Gerichte - darunter etwa die sogenannte Rfîssa al-ʿAmya (رْفيسة العَمْية), eine Speise mit getrocknetem Fleisch und Weizenkörnern.

Die Heiligkeit des Brotes hat sich so tief im kulturellen Erbe verwurzelt, dass es zu einer Metapher für gesichertes Leben und gesegnete Nahrung geworden ist. So wird es zum Bestandteil des Gebets: „Möge Gott dir ein ehrbares Brot geben - eins, das keine Hand knetete, niemand sie je gesehen hat, und das nicht im Ofen gebacken wurde.“

Durch das Brot hat sich die Bindung zwischen den Beschäftigten der Ferrāne und der Nachbarschaft tief verfestigt. Die Bäcker kannten jede Familie im Viertel - ihre Namen, die Zahl ihrer Mitglieder, ihren sozialen Stand. Dies war das Ergebnis einer jahrzehntelangen, täglichen Nähe - bei gewöhnlichen Besuchen wie bei besonderen Anlässen. Der Beruf des Bäckers bleibt ein faszinierendes Rätsel. Denn trotz der zahllosen hölzernen Backbretter und der Hunderte von Broten, die täglich zu ihm gelangen, erkennen die erfahrenen Meister nach dem Backen jedes einzelne Brot - wissen, zu welchem Brett es gehört, wie viele Laibe es umfasst und welcher Sorte es entspricht. Nur äußerst selten geschieht ein Irrtum in Anzahl, Art oder Zuordnung.

Al Ferrane - Die Bäckerei: Foto Moustapha UmousDie Helfer des Bäckers und das System der Brotbretter

Neben dem Maâllem, dem Meister, der das Brot in den Ofen schiebt - während er in der Grube steht, direkt gegenüber der flackernden Öffnung des Ofens -, gibt es eine zweite, unentbehrliche Figur: den Gehilfen, genannt Tarrah. Zu seinen Aufgaben gehört das ordentliche Platzieren der Brote auf den Brettern, bei Bedarf trägt er die Holzplatten mit den Laiben zu den Familien oder zu solchen, bei denen ein besonderes Ereignis ansteht - etwa eine Beschneidung, eine Hochzeit, eine Beerdigung oder eine Verlobung (ʿAqîqa), das Opfermahl zur Geburt eines Kindes. Ebenso bringt er das Brot zu Haushalten, die aus welchem Grund auch immer nicht selbst zum L‘Ferrān kommen können - gegen eine kleine Entlohnung. Auch transportiert er die Brote zu Läden, in denen das sogenannte Marktbrot (khobz s-Souq) verkauft wird.

Zu eben diesem Brot und dem System der Öfen gibt Roger Le Tourneau in seinem Werk „Fès vor dem Protektorat“ eine kurze Beschreibung: „Das Marktbrot wird nur an fünf Tagen in der Woche gebacken - dienstags und samstags ruht die Arbeit zwingend. Nur das Oberhaupt der Zunft hat das Recht, Brot für Studenten und Gefangene zu backen.

Trotz der gesellschaftlich eher niedrig eingestuften Stellung des Tarrah maß man seiner Tätigkeit große Bedeutung bei. So sehr, dass das Oberhaupt der Waren- und Lastenträger (Amin Zarzaya) jeden neuen Lehrling seiner Zunft zunächst in einem oder mehreren Ferrāne als Tarrah arbeiten ließ. Auf diese Weise lernte der Neuling die verwinkelten Gassen, die geheimen Wege und die Familien der Altstadt kennen - und gewann zugleich ihr Vertrauen, ehe er selbst Waren in ihre Häuser trug.

Die privaten Haushalte bildeten das Rückgrat der Kundschaft der L‘Ferrāne. Die Frauen bereiteten den Teig - eine ihrer täglichen Pflichten. War es ihnen nicht möglich, einen Angehörigen oder Nachbarn mit dem Transport der L‘Wasla (das Brett mit dem Teig) zum Ofen zu bringen, so stellten sie es einfach vor die Haustür. Jeder, der vorbeikam, nahm die L‘Wasla an sich und brachte sie zum gewünschten Ferrān.

Befand sich das Haus zwischen zwei Ferrāne, so richtete die Frau die L‘Wasla gezielt in Richtung desjenigen, in dessen Ofen sie ihr Brot gebacken wissen wollte. Je nach Temperatur des Ofens schickte die Frau, sobald die L‘Wasla beim L‘Ferrān angekommen war, jemanden los, um das fertige Brot eine Stunde bis anderthalb Stunden später abzuholen. Manchmal war es der Ehemann, der das Brot auf dem Heimweg von der Arbeit mitbrachte - oder die Kinder, wenn sie von Schule zurückkamen.

Zahlungsmodalitäten und Struktur der Backöfen in Fès

War es einer Familie nicht möglich, das Brot selbst aus dem Ofen abzuholen, übernahm der Tarrah diese Aufgabe. Als Lohn erhielt er, wie Roger Le Tourneau berichtet, „ein Viertel oder gelegentlich auch ein halbes Brot“. Die Bezahlung des Bäckers erfolgte je nach Absprache täglich, wöchentlich oder monatlich. Es gab auch ärmere Kunden, die ihre offenen Rechnungen bei Gelegenheit begleichen durften. So groß war die Bedeutung des Brotes für die Bevölkerung, dass niemand von den Dienstleistungen des Bäckers ausgeschlossen wurde. Konnte jemand nicht sofort zahlen, behielt der Bäcker mitunter einen Laib als Pfand ein - bis der Betrag entrichtet war.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte man in der Altstadt von Fès 44 Backöfen mit insgesamt 260 Beschäftigten, darunter Meister, Gehilfen und Lehrlinge - so steht es im Werk „Fès vor dem Protektorat“. Die meisten von ihnen stammten vom Land, insbesondere aus dem Stamm der Tassoul (قبيلة التسول), nördlich von der Stadt Taza.

Das Personal eines L‘Ferrān bestand im Durchschnitt aus sechs Personen: dem Leiter des Betriebs - dem Maâllem, dessen Hauptaufgabe die Überwachung und Koordination der Abläufe war -, ein bis drei Gehilfen, die für das Backen und Sortieren des Brots auf den Brettern zuständig waren, sowie ein bis vier Lehrlingen. Die Größe des Teams richtete sich nach der sozialen Lage und der Bevölkerungsdichte des jeweiligen Viertels.

Die Verbindung von Brot und Ackerbau hat seit jeher das Interesse der Wissenschaft geweckt. Brot zählt zu den ältesten Nahrungsmitteln, die der Mensch je hergestellt hat. Archäologen entdeckten im Nordosten Jordaniens in einem steinernen Ofen verkohlte Reste von Fladenbrot, das vor etwa 14.500 Jahren zubereitet worden war - also Jahrtausende vor der Erfindung der Landwirtschaft. Die alten Ägypter (2650-2000 v. Chr.) beherrschten bereits die Kunst des Gesäuerten bzw. gegorenen Teigs (العجين المخمر) und stellten zahlreiche Brotsorten her. Brot diente damals der Versorgung der Tempel und wurde den Göttern als Opfergabe dargebracht.

In wohlhabenden Haushalten gehörte ein eigener Hausofen ebenso zum Alltag wie das dafür abgestellte Personal, dessen ausschließliche Aufgabe darin bestand, Mehl zu mahlen und Brot zu backen. Auch in Fès war diese Praxis bis ins frühe 20. Jahrhundert verbreitet - etwa bei angesehenen Familien wie Scherif al-Wazzani oder der weit verzweigten Familie al-Muoqrî, die über ein eigenes Ferrān verfügten.

Studierende und die Mühlen von Fès

Das Brot spielte eine zentrale Rolle bei der Förderung des wissenschaftlichen Lebens. So erhielten die Studierenden der Qarawiyyin-Universität, die in den ihr angeschlossenen Internaten lebten, täglich einen Laib Brot als Teil ihrer Grundversorgung. Die eingangs erwähnte Redewendung „L‘Ferrān ging dem Gotteshaus voraus“ findet ihren konkreten Ausdruck im Fall des Ferrān Sabaʿ Luyyât (سبع لويات), eines der ältesten Ferrāne der Stadt Fès, der unmittelbar an die Qarawiyyin-Universität angrenzte - baulich wie verwaltungstechnisch. Dieser Ferrān existierte bereits vor der Gründung der Universität im Jahr 859 n. Chr. Aus alten Stiftungsurkunden geht hervor, dass der Ferrān dem städtischen Qâdî (Richter) unterstand, der dessen Einnahmen verwaltete, um daraus Bedürftige und Arme zu versorgen.

So sehr das Handwerk des Bäckers auf den ersten Blick autonom erscheinen mag, so sehr ist es in Wirklichkeit vom Getreideanbau abhängig. Die Blütezeit der Backöfen war stets eng an den landwirtschaftlichen Ertrag und Aktivität der Mühlen gebunden. Versiegten diese beiden wirtschaftlichen Lebensadern - Ackerbau und Vermahlung -, so kam auch die Arbeit L‘Ferrān ins Stocken.

Ein eindrucksvolles Zeugnis über das Mühlenwesen im mittelalterlichen Fès liefert uns al-Hasan al-Wazzân (Leo Africanus) in seinem Werk Beschreibung Afrikas: „In Fès gibt es annähernd 400 Mühlen - das heißt Gebäude, in denen sich Mühlsteine befinden, deren Zahl bis auf tausend geschätzt wird. Jede Mühle besteht aus einer großen, von Säulen getragenen Halle, in der sich vier, fünf oder gar sechs Mahlwerke befinden können. Ein Teil der ländlichen Bevölkerung bringt sein Getreide in die Stadt zum Mahlen. Es gibt dort auch Händler, die Deqqaqin (بالدقاقين) genannt werden - Müller, die ihre Mühlen vermieten. Sie kaufen Getreide, mahlen es und verkaufen das Mehl in eigens angemieteten Läden weiter. Aus diesem Gewerbe ziehen sie beträchtlichen Gewinn, denn viele Handwerker, denen die Mittel zur Auswahl und Lagerung des Getreides fehlen, lassen ihren Weizen bei den Stadtmüllern mahlen - gegen ein Entgelt von einem Bayûchî pro Rudjûʿ. Der Großteil der Mühlen gehört den Moscheen und Medresen, nur wenige befinden sich in privatem Besitz. Die Mieten sind hoch und erreichen bis zu zwei Mithqâl pro Mühlstein.“

Bayûchî (بايوتشي): bezieht sich auf eine alte Währungseinheit oder eine kleine Geldsumme, die als Bezahlung verwendet wurde. Rudjûʿ (رودجيو): Dies ist eine Maßeinheit für Getreide, speziell für Weizen, im Kontext des Mahlens. Ein Mithqâl ist eine historische Gewichtseinheit, die oft mit Gold oder anderen wertvollen Materialien verbunden war

Vom Holzfeuer zum elektrischen Ofen

Al Ferrane - der Baeckerei fiktiv, Foto: Moustapha UmousDieses ehrwürdige Handwerk litt nicht nur unter dem Einzug moderner Backöfen in die privaten Haushalte, sondern auch unter der zunehmenden Knappheit seines wichtigsten Brennstoffs: des Holzes.

Zwar hielten bereits in den frühen 1960er-Jahren elektrische Gemeinschaftsöfen Einzug in das öffentliche Leben - der erste wurde im Viertel Ziyyât in der Altstadt von Fès errichtet -, doch fanden diese Ferrāne bei der traditionell geprägten Bevölkerung wenig Anklang. Die alten, mit Holz befeuerten Öfen blieben in den Augen vieler die Hüter von Geschmack, Wärme und vertrauter Gewohnheit.

Bedauerlicherweise unterblieb in Fès jene Sorgfalt und Initiative, die das kulturelle Erbe verdient hätte, um Lösungen für die Energieproblematik zu entwickeln. Ein lobenswertes Gegenbeispiel bietet die Stadt Chefchaouen, wo sich engagierte Kulturschützer der Sache annahmen und einen Modellversuch ins Leben riefen, der auf eine Reduzierung des Holzverbrauchs und der Heizkosten abzielt. So wurden traditionelle Backöfen dort mit einem System zur Wärmezirkulation ausgestattet, das zugleich die Emission von Treibhausgasen verringert. Diese technische Aufrüstung führt nicht nur zu verbesserten Arbeitsbedingungen und einer Entlastung der Ofenbetreiber, sondern eröffnet ihnen auch neue ökonomische Perspektiven.

Mehrere Vereine streben nun an, das Chefchaouen-Modell auf andere historische Städte des Landes zu übertragen - nicht nur auf L‘Ferrān, sondern auch auf die Hammams, die ebenfalls auf Holzfeuerung angewiesen sind.

Möge Fès, die Stadt der 1000 Gassen und der alten Weisheit, sich ein Beispiel an Chefchaouen nehmen, ehe das, was von dieser traditionsreichen Zunft noch übrig ist, in das Reich vergangener Erinnerungen abgleitet - als bloßer Eintrag in die Annalen ausgestorbener Berufe.

Über den Autor Idriss Al-Jay

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