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Die Untrennbarkeit des Getrennten: Kulturelle Nähe zweier Nachbarn

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In der folgenden Erzählung zeichnet Mounir Lougmani ein eindringliches Bild der kulturellen und emotionalen Nähe zwischen Marokko und Algerien, insbesondere am Beispiel der Städte Oujda und Tlemcen, die einst durch gemeinsame Traditionen, Bräuche und Familienbande verbunden waren - lange bevor nationale Grenzen ihre natürlichen Bande durchschnitten.

 

Grenzabschnitt zwischen Marokko und Algerien

Statt nüchterner Historie erzählt der Autor von einem Alltag der Vertrautheit, der sich in der Kleidung, Musik, Sprache, Küche, religiösen Praxis und selbst im gemeinsamen Gedenken an Verstorbene widerspiegelt. Der Text wird so zu einer Hommage an eine grenzüberschreitende Identität, die durch Jahrhunderte gewachsen ist und durch Erinnerungen weiterlebt - trotz der Trennung durch Zäune, Politik und Misstrauen.

Im Mittelpunkt steht dabei die Überzeugung, dass Geografie nicht stärker ist als das geteilte Leben, und dass die Erinnerung selbst ein Brückenbauer sein kann, wenn politische Wege versperrt bleiben. Mounir Lougmani ruft mit seinem Text nicht nur zum Nachdenken auf, sondern auch zum Wiederaufbau eines symbolischen, kulturellen und menschlichen Zusammenhalts zwischen zwei Völkern, die mehr eint als trennt. Die Beziehung zwischen Oujda (Marokko) und Tlemcen (Algerien) wird nicht durch Kilometer, sondern durch Erinnerungen und Emotionen vermessen. Die Grenzen galten einst als durchlässig.

Ob Kaftane aus Fès oder Blusen aus Annaba. Das sind Gedächtnisfäden, die beide Länder durchweben: „Eine Gandoura [locker geschnittenes, ärmelloses Kleid] - genäht in Fès, getragen in Annaba.“ Ob „taʿām“ [arabisches Wort für „Essen“, das in Marokko speziell für Couscous verwendet wird] oder der „kesra“ [traditionelles, rundes Fladenbrot aus Algerien], das sinnbildlich für eine gemeinsame Herkunft steht.

Zwischen den Klängen von Raï [Musikstil aus Westalgerien, der traditionelle Nomadenklänge mit modernen Rhythmen, Synthesizern und gesellschaftskritischen Texten verbindet] aus Tlemcen und Aïta [marokkanischer Gesangsstil, der klagende Rufe, poetische Verse und volkstümliche Rhythmen kombiniert] aus Safi entsteht ein Klangraum, der beide Länder vereint. Wenn das Publikum zwischen „marokkanisch“ oder „algerisch“ debattiert, bleibt der Konsens: „Es ist unser gemeinsamer Klang.“

Mounir Lougmani zeigt anhand starker Bilder und konkreter Beispiele, wie Marokko und Algerien kulturell, kulinarisch, sprachlich und emotional miteinander verflochten sind. Die Unterschiede sind nuanciert - die Gemeinsamkeiten tief verwurzelt. Die Geschichte ist ein Plädoyer für Erinnerung statt Trennung, für Wiederbegegnung statt Nationalismus. Oder wie der Autor schreibt: „Sie steckten uns in Landkarten… aber sie vergaßen, dass Erinnerung an Grenzen nicht durchsucht wird.“

 

Kulturelle Verflechtung zweier Staaten
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