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Im Takt der Erinnerung - Zwischen Karyan Central und dem Rhein

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Nass el Ghiwane Konzert, Foto aus dem Archiv von Nass el GhiwaneNass El Ghiwane (ناس الغيوان) - aus dem Armenviertel Hay Mohammadi in Casablanca hervorgegangen, erhoben sie in den 1970er-Jahren die Stimmen der Straße zu Liedern. Ihre Musik war kein Rückzug, sondern ein Aufbegehren - poetisch verdichtet, politisch aufgeladen, tief im Volksgedächtnis verwurzelt.

Jahrzehnte später, fern im Exil, folgt ein Marokkaner dem Echo dieser Stimmen - und findet in ihren Klängen den Weg zurück zu sich selbst. Eine Geschichte davon, wie Erinnerung nicht verklärt, sondern lebendig vibriert - zwischen Herkunft und Gegenwart, zwischen Süden und Norden.

 

 

Zwischen dem Rhein und Karyan Central

       

Wer waren Nass El Ghiwane

   

Mustafa, die zentrale Figur dieser Erzählung, wächst, so wie Nass el Ghiwane in dem Armenviertel Hay Mohammadi auf - einem Milieu, das von Mangel ebenso geprägt ist wie von Zusammenhalt und einer einzigartigen musikalischen Ausdruckskraft.

Die Lieder von Nass El Ghiwane durchziehen seine Kindheit wie ein unsichtbarer Klangteppich: Sie erklingen in den Gassen, zwischen Teegläsern, auf den Lippen der Älteren - als Begleitung und Widerhall des Alltags. Die Musiker der Gruppe verweben traditionelle Sufi-Poesie mit politischer Klarheit, improvisierter Melodik und der rauen Sprache der Straße.

Für eine ganze Generation junger, übersehener Marokkaner der 1970er-Jahre werden sie zur Stimme, die das ausdrückt, wofür es sonst keine Worte gibt. Sie sind keine Idole der Popkultur - sie sind Chronisten eines verletzten Landes.

Mustafa verlässt Marokko in den 1990er-Jahren, um in Deutschland Ingenieur zu werden. Er lebt in Düsseldorf, spricht perfektes Deutsch, plant Brücken, Hochhäuser, Verkehrsnetze. Doch die Musik seiner Kindheit lässt ihn nicht los. Irgendwann beginnt er zu spielen - zunächst allein, dann gemeinsam mit einer deutschen Band.

Was folgt, ist kein Nostalgieprojekt. Mustafa rekonstruiert keine verklärte Vergangenheit, sondern versucht, das Unsichtbare sichtbar zu machen: die Würde eines vergessenen Viertels, die Schönheit eines kämpferischen Liedes, den Rhythmus eines Lebensgefühls, das kein Pass und kein Integrationskurs ersetzen kann.

In Zentral-Gedächtnis“, einem Musiktheaterprojekt zwischen zwei Welten, bringt er traditionelle marokkanische Klänge in Dialog mit westlicher Musik - und macht spürbar, was es bedeutet, sich selbst zwischen den Kulturen wiederzufinden.

Diese Geschichte ist keine einfache Migrationsbiografie. Sie ist ein poetischer Versuch, Erinnerung nicht als Stillstand zu zeigen, sondern als Bewegung. Eine Bewegung, die mit einem einzigen Trommelschlag beginnt.

 

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