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Alle lieben Touda: Der Ruf nach Freiheit und Anerkennung

„Alle lieben Touda“ folgt der Reise einer jungen Frau, die in den ländlichen Bars Marokkos singt und von einer Zukunft als anerkannte Künstlerin träumt. Auf ihrem Weg nach Casablanca strebt sie danach, die traditionelle Kunstform der "L' Aita" mit ihrer Stimme neu zu beleben und für sich und ihren Sohn eine bessere Zukunft zu schaffen, siehe Filmtrailer.

Alle lieben Touda: Eine Geschichte von Maryam Touzani und Nabil Ayouch.

Touda träumt nur von einem: Sheikha zu werden – eine wahre Hüterin der alten marokkanischen Kunst, eine Sängerin, deren Stimme sich speist aus der Kraft der Frauen, die vor ihr den Weg bereiteten. Ihre Lieder, erfüllt von Geschichten über Widerstand, Liebe und den unaufhaltsamen Ruf nach Freiheit, hallen in ihr wider wie ein geheimes Vermächtnis.

Nacht für Nacht tritt Touda in den verrauchten Bars der Provinz auf, wo sie – umgeben von gierigen Blicken – ihre Kunst darbietet, mehr geduldet als gefeiert. Doch in ihrem Herzen reift längst ein Entschluss: Sie will diese enge Welt hinter sich lassen. Casablanca ruft – die große, leuchtende Stadt, ein Versprechen auf Anerkennung und ein neues Leben. Für sich. Für ihren kleinen Sohn. Für eine Zukunft, die nicht im Staub erstickt, sondern im Glanz einer wahren Künstlerseele erstrahlt.

„L‘Aita“ – das ist ihr Weg. Ein Kampfruf, eine gesungene Dichtung, geboren aus Mut und Leidenschaft, getragen von politischer Entschlossenheit und der unerschütterlichen Würde der Frauen. Seit dem 19. Jahrhundert wandert sie von Mund zu Mund, von Herz zu Herz, weitergegeben von den Sheikhas, die mit jeder Strophe ihre Existenz behaupteten. Heute aber steht die L‘Aita an einem Scheideweg: zwischen der Bewahrung uralter Traditionen und der Suche nach neuen Stimmen, neuen Rollen, in einer sich wandelnden marokkanischen Gesellschaft.

Drehbuch und Regie der Geschichte „Everybody Loves Touda“

Maryam Touzani ist eine marokkanische Drehbuchautorin und Regisseurin und zugleich die langjährige künstlerische Partnerin (und Ehefrau) von Nabil Ayouch. Die beiden arbeiten seit Jahren sehr eng zusammen, oft entwickeln sie gemeinsam Drehbücher – so war es auch bei früheren Filmen wie Horses of God oder Razzia.  Nabil Ayouch führte Regie, Maryam Touzani brachte vor allem die feinfühlige Ausarbeitung der Hauptfigur Touda in das Projekt ein – vergleichbar mit ihrem Ansatz bei ihren eigenen Filmen wie Adam (2019) oder The Blue Caftan (2022).

Über Nabil Ayouch

Nabil AyouchNabil Ayouch ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Regisseure Marokkos und Mitglied mehrerer internationaler Filmakademien. Bereits sein erster Kurzfilm Les Pierres Bleues du Désert (1992) brachte ihm Aufmerksamkeit, gefolgt von preisgekrönten Spielfilmen wie Mektoub (1997) und Ali Zaoua: Prince of the Streets (2000), die Marokko bei den Oscars vertraten. Mit Werken wie Horses of God (2012), Much Loved (2015) und Casablanca Beats (2021) wurde Ayouch zu einer wichtigen Stimme des arabischen Kinos und mehrfach auf den Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet. Neben seiner Arbeit als Regisseur engagiert er sich aktiv für die Förderung junger Talente: Mit Initiativen wie „Ali n' Productions“, „Filmindustrie“ und dem „Meda Films Development“-Programm hat er wesentlich zur Entwicklung der marokkanischen Filmbranche beigetragen. Im sozialen Bereich gründete er die Ali Zaoua Foundation sowie mehrere Kulturzentren für benachteiligte Jugendliche. 2024 stellt Ayouch seinen neuen Film Everybody Loves Touda bei der 77. Ausgabe der Filmfestspiele von Cannes vor.

Filmplakat "Alle lieben Touda" von Maryam Touzani und Nabil AyouchAlle Details zum Film "Alle lieben Touda" finden Sie in dieser Pressemitteilung (PDF-Datei).

 

 

 


L'Aita, Foto mit Hilfe von ChatGPT erstellt

Der Name „L‘Aita“ lässt sich aus dem Arabischen als „Ruf“ oder „Schrei“ übersetzen, ist eine der ursprünglichsten Ausdrucksformen marokkanischer Volkskultur. Entstanden im 19. Jahrhundert in den ländlichen Regionen West- und Zentralmarokkos – etwa in Doukkala, Chaouia oder Abda –, erzählt sie in gesungener Poesie von den Hoffnungen, Kämpfen und Leidenschaften der einfachen Leute. L‘Aita ist weit mehr als nur Musik: Sie ist zugleich Erzählung, Klage und Aufbegehren, ein lebendiger Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungen und inneren Befindlichkeiten einer ganzen Bevölkerungsschicht.

Traditionell wird „L‘Aita“ mündlich überliefert, ihre Verse und Melodien sind in ständiger Bewegung, geprägt von den Stimmen derer, die sie weitertragen. Besonders die Frauen, die sogenannten Sheikhat, haben sich dieser Kunst verschrieben. Als Sängerinnen, Tänzerinnen und Dichterinnen verkörpern sie „L‘Aita“ auf eine Weise, die persönliche Erfahrung und kollektives Gedächtnis miteinander verwebt. In einer oft konservativen und männerdominierten Gesellschaft traten die Sheikhat in einer Doppelrolle auf: Einerseits bewahrten sie ein kostbares kulturelles Erbe, andererseits wurden sie als Künstlerinnen, die auf Festen und in Cafés auftraten, sozial marginalisiert.

Musikalisch lebt „L‘Aita“ von der Spannung zwischen klaren Rhythmen und improvisierten Momenten. Begleitet wird sie von traditionellen Instrumenten wie der Bendir, einer großen Rahmentrommel, der Oud, einer orientalischen Laute, sowie der Geige, deren klagende Töne die emotionalen Bögen der Erzählungen untermalen. Die Lieder thematisieren Liebe in all ihren Facetten – von hingebungsvoller Leidenschaft bis zur unerfüllten Sehnsucht –, aber auch Verlust, Widerstand gegen Unrecht und die Suche nach Freiheit. Während der französischen Kolonialherrschaft wurde L‘Aita zu einer subtilen Waffe des Widerstands: In metaphorischen Bildern und Chiffren artikulierten die Sängerinnen die verborgene Wut und die Hoffnung der Unterdrückten.

Heute steht L‘Aita an einem Scheideweg. Ihre Zukunft liegt zwischen Bewahrung und Neuerfindung. Einerseits gibt es Bemühungen, die alten Formen zu dokumentieren und im Bewusstsein einer neuen Generation lebendig zu halten. Andererseits versuchen junge Künstlerinnen und Künstler, L‘Aita neu zu interpretieren, sie mit modernen musikalischen Einflüssen zu verweben und so eine Brücke zwischen Tradition und Gegenwart zu schlagen. In einer Zeit, in der Fragen von Identität und kultureller Selbstbehauptung neu verhandelt werden, bewahrt L‘Aita ihren einzigartigen Charakter: eine Kunstform, die zugleich archaisch und gegenwärtig, tief verwurzelt und offen für Wandel ist – ein fortwährender Ruf aus der Tiefe der marokkanischen Seele.

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