Als ein König Geschichte schrieb - Die unvergängliche Lehre des Grünen Marsches
Zum fünfzigjährigen Jubiläum des Grünen Marsches würdigt ein neues Werk die Vision Hassan II., die Entschlossenheit eines Volkes und das unvergängliche Vermächtnis eines friedlichen Triumphs, der Marokkos Geschichte für immer prägte.
Die marokkanische Ärztin und Essayistin Dr. Imane Kendili würdigt in ihrem Beitrag das jüngste Werk des Schriftstellers, Denkers und Regisseurs Abdelhak Najib, das dem fünfzigjährigen Jubiläum des Grünen Marsches gewidmet ist - jenem außergewöhnlichen Moment, der die jüngere Geschichte des Königreichs prägte und bis heute Symbol für Einheit, Glaube und nationale Beständigkeit geblieben ist.
Najib hat sich längst einen Namen gemacht als Chronist großer marokkanischer Etappen. Zu jeder bedeutenden Zäsur des Landes legt er Bücher vor, die historische Strenge mit ästhetischem Feingefühl verbinden. So auch in diesem neuen Werk „Der Grüne Marsch - Fünfzig Jahre des Ruhms“, das in arabischer und französischer Ausgabe erschienen ist und den legendären Aufbruch vom November 1975 in würdiger Form nachzeichnet.
Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass es sich um ein zutiefst persönliches Buch handelt. Najibs Mutter Habiba nahm selbst am Grünen Marsch teil - ebenso wie zahlreiche Mitglieder seiner Familie. Die emotionale Nähe ist spürbar, doch sie verwandelt sich bei ihm in eine universelle Reflexion über Geschichte, Glauben und Verantwortung.
Der Autor beginnt mit den Worten: „Für jene, die glauben, ist kein Beweis nötig. Für jene, die nicht glauben, ist kein Beweis möglich.“ Damit eröffnet er den geistigen Rahmen des Werkes: Die großen Märsche der Geschichte sind selten, doch sie verändern den Lauf der Dinge und verwandeln das Unmögliche in Wirklichkeit.
Aus diesem Geist entstand der Grüne Marsch, der König Hassan II. im November 1975 ins Leben rief. Sein Wort lautete: „Wer seine Heimat rettet, verletzt kein Gesetz - die Geschichte wird ihn richten.“ So wurde aus einer Idee der Visionäre eine Tat, die den Mut eines ganzen Volkes offenbarte.
Denn der größte Fehler, so Najib, wäre gewesen, nichts zu tun. Das marokkanische Volk erhob sich als eine einzige Stimme, um seine südlichen Provinzen zurückzuerobern. Der Ruf des Südens hallte durch alle Herzen - und in wenigen Tagen machten sich 350 000 Freiwillige auf den Weg, begleitet von Millionen Gebeten. Eine unendliche Menschenkette, Fahnen und Koran in der Hand, das Herz voller Glauben, zog gen Süden, um Brüder und Schwestern wiederzusehen.
Die Welt hielt den Atem an. Sie sah, wie ein König und ein Volk Geschichte schrieben, ohne Waffen, ohne Blutvergießen. Eine friedliche Rückkehr, die von der Vision eines Monarchen getragen war, der das Schicksal seines Landes lenkte, ohne jemals den Weg des Friedens zu verlassen.
Najib verortet den Grünen Marsch in seiner Zeit - in den 1970er-Jahren, in denen die Welt zwischen Fortschritt und Bewahrung schwankte. Unter Hassan II. entschied sich Marokko für den Weg der Tat, für die Wiederherstellung der historischen Wahrheit. Denn, so der Autor, „die Aufgabe der Fortschrittlichen ist es, das Schicksal zu erzwingen, indem sie die Fehler der Geschichte korrigieren“.
Heute, fünfzig Jahre später, sieht Najib in König Mohammed VI. den würdigen Erben dieser Vision. Seit einem Vierteljahrhundert führt er das Land auf den Spuren seines Vaters weiter - mit der Klarheit eines Staatsmanns, der den Süden in ein Modell menschlicher und wirtschaftlicher Entwicklung verwandelt hat. Von Lagouira bis Guelmim, von Laâyoune bis Dakhla zeugen Städte, Häfen, Universitäten und Straßen vom Aufbruch einer Region, die zum afrikanischen Tor des Königreichs wurde.
Diese Erfolge, so Najib, haben der Welt die Wahrheit gezeigt: Die marokkanische Sahara ist ein Raum des Lebens und der Legitimität, anerkannt von den großen Mächten - den Vereinigten Staaten, Frankreich, Spanien, Deutschland - und unterstützt von der Europäischen Union, China, Russland, Japan, der arabischen Welt und der Mehrheit der afrikanischen Staaten. Derweil bleibt das Nachbarland Algerien mit seiner Instrumentalisierung des sogenannten Polisario-Apparats isoliert.
Najib erinnert daran, dass der Grüne Marsch nicht aus dem Nichts entstand. Er wurzelt tief in der Geschichte des Befreiungskampfes, im Werk von König Mohammed V., dem Vater des modernen Marokko. Er hatte die Unabhängigkeit errungen und das Ziel einer vollständigen Einheit als Vermächtnis seinem Sohn übergeben. „Das Königreich“, so zitiert Najib, „beginnt an der Meerenge und endet in Lagouira, es reicht vom Atlantik bis zu den Grenzen des Sahel.“
Er verweist auf historische Karten und französische wie osmanische Archive, die belegen, dass Marokko einst über ein weitaus größeres Territorium verfügte, bis weit in die heutigen saharischen Gebiete hinein - das einzige Land Nordafrikas, das der osmanischen Expansion widerstand.
Am 6. November 1975 erfüllte sich das königliche Testament. Hassan II. führte sein Volk, geleitet von Weisheit, Disziplin und Weitblick. Von 1961 bis 1999 baute er einen Staat von fester Struktur, gegründet auf dem unerschütterlichen Bund zwischen Monarchie und Volk.
Als Mohammed VI. die Krone übernahm, erbte er die Weisheit seines Großvaters und die strategische Kraft seines Vaters. So entstand das Bild einer Monarchie, die zugleich in ihrer Geschichte verwurzelt und auf die Zukunft ausgerichtet ist - getragen von der Überzeugung, dass Stabilität, Einheit und Vertrauen die wahren Pfeiler jeder großen Nation sind.
„Man kann keinen Baum pflanzen, wenn man ihm die Wurzeln abschneidet“, schreibt Najib. Der Grüne Marsch erinnert daran, dass Geschichte nicht vergeht, sondern fortlebt - im Glauben eines Volkes und in der Vision seiner Könige.
Über Dr. Imane Kendili*
Übersetzung aus dem Französischen