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Die Pfade des "Mellah" und die historischen Rätsel

Bis Ende der 1960er Jahre glich der Gang durch Mellah (Siehe das YouTube-Video von Jawla Vlog) einer Durchquerung eines geheimnisvollen Tunnels, eingetaucht in Fremdartigkeit, begleitet von Respekt und großen Erwartungen. Eine Welt voller Geheimnisse, in sich verschlossen und mit wagen Vorstellungen verbunden.

  

Die Hüterin des Mellah

Bis zum Ende der Achtzigerjahre, wenn du Mellah von der Seite des des Semmarin-Tor*3 betratst, trafst du an der rechten Ecke hinter dem Eingang die treue Hüterin ihres Erbes, Sulaika. Sie saß wie ein lebendes Denkmal, unbeeindruckt von den kulturellen Umwälzungen und den Verlockungen der Zukunft.

Sulaika besaß einen Laden, in dem sie Eisenwaren wie Nägel, Ketten, Zangen etc. verkaufte. Groß gewachsen, weit über vierzig Jahre alt, hatte sie doch ein Großteil ihrer Schönheit verlassen, ihre Muskeln waren aber immer noch gut entwickelt, bestimmt wegen ihrer Arbeit mit Eisenwaren.

Sie saß immer draußen vor ihrem Laden in leichter Kleidung, ein Bein über das andere geschlagen, mit einem kurzen Rock, der ihre langen Beine bis zum Oberschenkel freilegte. Sie rauchte Zigaretten und sprach immer in einer Mischung aus Arabisch und Französisch mit einem starken Fassi jüdischen Akzent. Um sie herum waren ihre Handelsnachbarn und Bewunderer, deren Blicke tiefes Verlangen nach dieser erfahrenen Frau ausdrückten. Sie war marokkanisch in ihrer Tiefe, jüdisch von Geburt und blieb die einzige Jüdin, die an ihrem Laden und am Mellah festhielt, als andere Juden nach dem Bau der modernen französischen Stadt Fès, den Mellah verließen.

Doch diese Welt der Widersprüche war je nach Blickwinkel gleichzeitig verschlossen und offen. Hier verschmolzen Heimlichkeit und Öffentlichkeit, rätselhafte Beschreibungen und Urteile, gehüllt in Schleier, wie ein Durchreisender in einem Geheimversteck oder ein magischer Krug, in dem man verloren geht und außerhalb davon wieder geboren wird.

Als Kinder stellten wir uns "Mellah" als eine Welt voller Magie und großen Zauberern vor, eine Welt von ewigem Fluch, Sünde, in der Gassen und Pfade mit dem Duft von "Mahya", dem Wasser des Lebens, und den Gedichten der Initiation*1 gefüllt waren. Eine Welt, die mit Phantasie und Legenden, Reichtum und Macht, doppelten Gefühlen von Liebe und Hass schwang. Mit diesen Vorstellungen sind wir aufgewachsen, begleiteten uns durch die Jahrzehnte, und wurden von Volksweisheiten und Sprichwörtern umgeben, die um diese Welt und ihre Bewohner kreisten:

Die Erinnerungen an die jahrzehntelange Begegnung mit den Juden in Fès sind reich an Volkssprüchen und überlieferten Aussagen über sie und ihre Umgebung, sei es als sie mit Muslimen in der Altstadt lebten oder nach ihrem Umzug in ihrem eigenen Viertel, Mellah. Ebenso gibt es Dutzende von Volkssprüchen und Aussagen der Juden über die Muslime.

Man kann nicht über Fès-Jdid*2, das „neue Fès“, sprechen, ohne über Mellah zu sprechen. Sein Betreten war mit Regeln verbunden, die von dem, was man über Mellah an Aberglauben und Teufelei hörte, vorausgingen. Dahinter suchten diejenigen, die nach uneingeschränktem Vergnügen Ausschau hielten, die Welten der Magie und Zauberer auf, die von überall herkamen, um Heilung von einer Krankheit zu suchen oder eine Lösung für ein Problem durch Amulette und Zauberformeln zu finden. Die im Koran beschriebenen Szenen der Duelle zwischen Moses und den Magiern des Pharaos waren hier allgegenwärtig.

Die Wege des Mellah erschienen größtenteils dunkel, voller Rätsel und geheimer Geschichten. Sie waren von dicken, schattigen Mauern umgeben, versteckt in der Dunkelheit und verborgen hinter schwachem Licht. Der Zugang zum Mellah für diejenigen, die aus der Altstadt kamen, erfolgte entweder über Fès-Jdid oder über die Straße, die zwischen den Mauern der Mellah-Häuser verlief.

Man wird beim Betreten des östlichen Zugangs zum Mellah von den weiten Balkonen der Häuser überrascht, die sich auf beiden Seiten der Straße erstrecken, die heute zwischen Mellah und Fès-Jdid“, genannt "Boulkhsissat", liegt. Es öffnet sich zum äußeren Raum dieser Straße, wo die jüdischen Frauen in der Vergangenheit mit offenem Gesicht standen und Wäsche aufhängten, sich unterhielten oder ihre Hausarbeiten mit Leichtigkeit und Bequemlichkeit erledigten. Dieser Lebensstil und Alltagsverhalten waren den Frauen in den Häusern und Wohnungen der Altstadt (Medina) völlig unbekannt.

Siehe hierzu die Bildergalerie von Eberhard Hahne zum Thema "Mellah, das jüdische Viertel von Fes"

Bilder von der Restaurierung von Boulkhsissat

Restaurierung Boulkhsissat, Foto: Mustafa Umous Restaurierung Boulkhsissat, Foto: Mustafa Umous Restaurierung Boulkhsissat, Foto: Mustafa Umous

 


Sobald du in den ersten verwinkelten Durchgang des Mellah eintrittst, stehst du unter einem großen gewölbten Bogen, der einst das Haupttor des Mellah war, das von Nachtwächtern bewacht wurde. Eine moderne Uhr am Torbogen, der zum Hauptweg des Mellahs führt, fällt sofort ins Auge. Sie zeugt heute noch von diesen ereignisreichen vergangenen Zeiten.

Diese Hauptstraße teilt Mellah vom Eingang des Semmarin in südwestlicher Richtung bis zum Bab Aamir. Diese Straße war die Hauptstraße und der Markt des Mellah und trug den Namen "Derb Souk". Vielleicht war die Straße in der Vergangenheit viel breiter und hatte vermutlich einen großen Marktplatz, aber im Laufe der Zeit wurden auf beiden Seiten Läden und Häuser gebaut, um den begrenzten Raum im Viertel zu nutzen. Der letzte westliche Teil der Straße war sehr eng und dunkel und früher eine Sackgasse, die 1912 von den Franzosen geöffnet wurde als sie den "Place du Commerce" hinter dem Bab Aamir anlegten und dem Mellah einen neuen Durchgang verschafften, durch den Besucher und Passanten auch heute von der Westseite passieren können.

Dieser breite und einzigartige Hauptweg im Mellah ist durchzogen von Pfaden und Gassen, die von Breite und Enge, Helligkeit und Dunkelheit, einfachen armen bis hin zu reichen, prächtigen Häusern im marokkanischen Baustil mit übermäßigem Zierwerk aus Mosaiken und Gips reichen. Sie verfügen häufig über einen Holzerker, den Frauen insbesondere während ihrer Menstruation nutzten, denn bei den konservativen Juden wurden Frauen während ihrer Periode von allen Aspekten des täglichen Lebens abgeschottet... außergewöhnlich ist es, dass diese Häuser häufig über geheime Kellerräume und Verstecke verfügen, die als Schutz gegen mögliche Überfälle oder Aufstände dienen sollten.

Diese breite Straße, die eine Besonderheit von Fès-Jdid darstellt, erstreckt sich bis zum Platz Al-Tijara oder Al-Alawiyyin, wo sich Mellah-Park "Jnan As Sabil D'lihud (Park der Juden)" befindet. Dieser Park beherbergte einst eine der ältesten und berühmtesten traditionellen Kaffeehäuser "Café Es-Satanbouli", das am Rand eines Flusses in dem Garten thronte und von Liebhabern der orientalischen Musik, Malhun*4 und jüdischer Shikor-Musik frequentiert wurde. Dieses Café existierte bis zum Ende der Achtzigerjahre und verschwand dann für immer nach der Erweiterung des "Place du Palais royale".

Es ist unmöglich, das jüdische Viertel, Mellah, bei der Diskussion über die Stadt Fès und ihre drei Teile zu ignorieren, da es eng mit dem Fès-Jdid und seiner städtischen und geografischen Entwicklung verbunden ist. Über die Geschichte und Existenz dieses Viertels gibt es viele verschiedene Ansichten, auch darüber, wann die Juden dorthin zogen, insbesondere ob es der Fall war nach der Errichtung von Fès el-Jdid.

Einige glauben, dass das Viertel seit dem Bau von Fès el-Jdid existiert und beziehen sich dabei auf das Buch "Rawdat al-Qirtas" von Ibn Abi Zar', einem Historiker aus der Zeit der Meriniden.  Seine Beschreibung des Mellah war nicht so eindeutig, dass man mit Sicherheit sagen könnte, dass die Juden sofort nach Fertigstellung des Mellah in ihr neues Viertel zogen. Ibn Abi Zar' erwähnte, dass das damalige jüdische Viertel in der Altstadt während dem Bau von Fès-Jdid angegriffen wurde und dass vierzehn Juden bei diesem Angriff getötet seien. Deshalb wurden die Juden in Mellah verlegt, um sie vor der Wut der Bevölkerung zu schützen, wobei dieser Umzug nur als eine vorübergehende Maßnahme sein sollte.

Ahmad ibn Fadl Allah al-'Umari (1301-1349), Autor des Buches "Masalik al-Absar fi Mamalik al-Amsar", behauptet, dass die jüdische Gemeinschaft im 14. Jahrhundert nicht in Fès-Jdid präsent war.

Die Reisenden und Historiker Luis del Mármol Carvajal (1520-1600) und Al-Hasan al-Wazzan sprechen im 16. Jahrhundert über Fès-Jdid und bestätigen diese Theorie von Ibn Fadl Allah al-'Umari. Diese Aussage wird auch von einem jüdischen Historiker im Buch "Smash" am Ende des 19. Jahrhunderts bestätigt, in dem es heißt, dass Maimonides zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der "Makana" (Al-Talea Al-Kabira) wohnte, wie auch Roger Lé Tourneau erwähnt.

Dies deutet darauf hin, dass die Juden einst zusammen mit den Muslimen in der Altstadt (Medina) lebten. Bis heute gibt es in den Tiefen der Altstadt weite Bereiche mit Namen von jüdischen Pfaden und Gassen. Zum Beispiel gibt es das "Jewish Hotel", den "Akiba-Platz" und die "Boulevard La Blida". Das "Darb Salam" (Friedenspfad) ist der Ort, an dem die Israelis das Fest "Sukkot" oder das Fest "Hoshana Rabbah" in der Mitte des Monats Oktober jeden Jahres feiern, um an den Auszug aus Ägypten und ihre Rettung vor dem Pharao zu erinnern.

 


Der Grund für die Umsiedlung der jüdischen Gemeinschaft nach Fès-Jdid, in der Nähe des königlichen Palastes und in der Nähe des Dār al-Makhzen, ist nicht vollständig geklärt. Es gibt verschiedene Theorien und Ansichten darüber, warum die Behörden die Juden in den damals neuen Teil der Stadt umsiedelten und dabei ihre Freiheiten einschränkten.

Was auch immer der genaue Grund für die Umsiedlung war, die Juden fanden sich schließlich im Mellah wieder, einem Viertel mit beschränkten Freiheiten und strengen Vorschriften. Trotz der harten Bedingungen blieben einige Juden in Fès-Jdid und konvertierten zum Islam, um den Herausforderungen zu entgehen. Einige dieser konvertierten Familien behielten ihre alten hebräischen Namen bei, [siehe Beispielliste der alten Fassi-Familien, weitestgehend zum Islam konvertiert. Sie kann im Rathaus von Fes eingesehen werden (1435-1796].

Mit der Zeit entwickelte sich Mellah zu einem einzigartigen Viertel, in dem muslimische und jüdische Gemeinschaften in relativer Harmonie nebeneinander lebten. Die jüdische Bevölkerung wuchs weiter an, besonders nach der Vertreibung der Juden Ende des 15ten Jahrhunderts aus Andalusien durch die spanischen Könige.

Die jüdische Gemeinschaft in Fès wurde trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung oft diskriminiert. Trotz aller Schwierigkeiten gelang ihr ihre Identität und Traditionen aufrechtzuerhalten und sich in das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Stadt einzubringen.

Die Juden in Marokko, wie auch in anderen Teilen der islamischen Welt, wurden als Schutzbefohlene (Ahl al-Dhimmah) behandelt, die eine Schutzsteuer (Jizya) zahlten. Dennoch hatten sie eine gewisse Freiheit, sich relativ frei zu bewegen, Berufe und Handwerke auszuüben, Handelsbeziehungen mit anderen Ländern zu knüpfen und sogar exklusive Berufe wie Goldschmiedearbeiten und Geldwechsel zu praktizieren. Darüber hinaus waren sie oft Handelsbotschafter für die Sultane außerhalb Marokkos.

Die jüdische kulturelle Bewegung, die im 10. und 11. Jahrhundert sowohl in Marokko als auch in Al-Andalus (Spanien und Portugal unter islamischer Herrschaft) stattfand, erlebte in Fès und Córdoba eine Blütezeit. Sie brachte viele herausragende Persönlichkeiten hervor, wie den Dichter Dunash ibn Labrat Dunash ibn Labrat (ca. 920-990), den Grammatiker Yehuda ben David Hayyuj (oder Abu Zakaria Yahya al-Nahwi, ca. 945-1012) und den großen Talmud-Gelehrten Isaac ibn Jacob al-Fasi (1013-1103). Diese Persönlichkeiten wurden entweder in Fès geboren oder verbrachten einen bedeutenden Teil ihres Lebens dort. Einer der größten jüdischen Gelehrten nach Maimonides, Moshe ben Maimon, lebte ebenfalls in Fès von 1159 bis 1165, nachdem er aus Al-Andalus geflohen war und später nach Ägypten ging, wo er als Arzt für Salah al-Din al-Ayyubi arbeitete.

Mit dem Aufstieg der Almohaden-Dynastie endete jedoch eine Zeit intellektuellen Wohlstands in Marokko und Al-Andalus. Die Almohaden, die zu Beginn ihrer Herrschaft den extremistischen Reformgedanken von Mahdi ibn Tumart folgten, schafften das Schutzstatus (Dhimma) und die Schutzsteuer (Jizya) ab und führten strenge Maßnahmen ein, nicht nur für Juden, sondern auch für Muslime, insbesondere die malikitischen Rechtsgelehrten. Sie unterdrückten die sunnitischen Rechtsschulen und verordneten den Gebrauch der Berbersprache in der Lehre und auf den Kanzeln. Die Juden wurden unter ihrer Herrschaft vor die Wahl gestellt, entweder ins Exil zu gehen oder den Islam zu akzeptieren, entsprechend der Überzeugung von Ibn Tumart. Obwohl einige Juden ihren Übertritt zum Islam erklärten, praktizierten viele von ihnen ihre jüdische Religion heimlich weiter.

Mit dem Niedergang der Almohaden-Dynastie und dem Aufstieg der Meriniden-Dynastie im 13. Jahrhundert entstand in Marokko ein toleranteres Klima, das es der jüdischen Gemeinschaft ermöglichte zu wachsen und zu gedeihen.

Nach den Massakern, die im Jahr 1391 in verschiedenen Regionen unter spanischer Herrschaft, wie Sevilla und Katalonien, stattfanden, floh eine große Anzahl von spanischen Juden nach Nordafrika und ließ sich in Städten wie Fès nieder.

Grund für die Gründung von Fès-Jdid und die Umsiedlung der Juden in dieses Viertel

    

Mellah von Fès liegt zwischen den inneren und äußeren südlichen Stadtmauern der Stadt. Anfangs wurde dieser Bereich bei der Gründung von Fès-Jdid als "Homs" bezeichnet und von ausländischen Truppen, insbesondere syrischen Bogenschützen, besetzt. Im Jahr 1325 unter der Herrschaft von Sultan Abu Said wurden diese Truppen aufgelöst. Der Name "Mellah", der sich mit dem jüdischen Viertel verbindet, wird von mehreren Historikern entweder auf das Vorhandensein von Salzwasser in Fès-Jdid zurückgeführt oder auf die Tatsache, dass hier ein Salzlager gegeben haben soll. Mellah in Fès war der erste jüdische Stadtteil in Marokko, der den Namen "Mellah" trug. Dieser Name wurde später auf alle jüdischen Viertel in Marokko angewandt, mit wenigen Ausnahmen wie der Stadt Safi, in der Juden und Muslime weiterhin gemeinsam lebten.

Fès beherbergte die größte und älteste jüdische Gemeinschaft in Marokko. Diese Gemeinschaft entstand mit der Gründung der Idrissiden-Stadt im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert n. Chr. Dies wird durch den Kauf von Häusern durch die Murabiten bestätigt, um die erweiterte Qarawiyin-Moschee zu errichten. Es wird auch behauptet, dass ein Haus in der heutigen Straße gegenüber der Medersa Abu Inan al-Marini im Mellah einst das Haus des großen jüdischen Gelehrten Moses ben Maimon war, das später den Namen Dar al-Maqana trug. Die erste jüdische Begräbnisstätte befand sich außerhalb des Bab Ajissa (Ajissa-Tor) in der alten Stadt.

   

Wie bereits erwähnt, bleibt der genaue Grund für die Gründung von Fès-Jdid und die Umsiedlung oder den Umzug der Juden in dieses Viertel anhand der verfügbaren Quellen unklar. Basierend auf den vorherigen Zeugnissen von Historikern wie Marmol, Lawzan und Amari scheint der Umzug in die Mellahs optional gewesen zu sein und erfolgte schrittweise während der merinidischen und nachfolgenden Zeiträume. Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in den Mellahs erfolgte allmählich und in verschiedenen Phasen. Es ist auch möglich, dass nur wenige Juden direkt nach der Gründung von Fès-Jdid dort umsiedelten, und später schlossen sich ihnen Juden an, die aus der Altstadt und aus Al-Andalus kamen.

Einige Historiker vermuten als Grund für die Umsiedlung der Juden aus der Altstadt nach Fès-Jdid die Entdeckung der Leiche von Moulay Idriss II. im Jahr 1437 in der Al-Attarine-Moschee im Zentrum der Stadt. Dieser Fund erhob die Altstadt zum "heiligen Ort". Die Umgebung der Moschee, die sich inmitten der Haupteinkaufsviertel befand, wurde zu einem Rückzugsort, der Nicht-Muslimen den Zutritt verbot. Ob dies der Grund zur Vertreibung der jüdischen Bewohner und Händler von dort geführt haben, ist doch unwahrscheinlich, da der Idrissiden-Schrein im 16. oder 17. Jahrhundert entstand, nach dem Ende der Meriniden- und Wattasiden-Dynastie. Bis in die Mitte der 1960er Jahre gab es beispielsweise einen Laden eines jüdischen Bürgers am Eingang des Gewürzmarktes, der Ghassalas-Wolle herstellte. Und am Eingang des Seidenmarktes am Suq as-Sabbat saß ein jüdischer Mann und wechselte Geld gegen eine Provision. ... Es bleibt festzuhalten, dass die endgültige Umsiedlung oder der Umzug der Juden in die Mellahs Jahrhunderte nach dem Bau von Fès-Jdid erfolgte.

Mellah und der Palast des Sultans

Die Beziehung der Bewohner der Mellahs mit dem Palast des Sultans, dem sogenannten "Dar al-Makhzen", war in allen Zeiten gut. Tatsächlich spendete eine Merinid-Prinzessin namens Lalla Mina im 15. Jahrhundert das Land, auf dem sich heute der Platz "Alaouin" (nahe der Tore des königlichen Palastes) befindet, an die jüdische Gemeinschaft. Es ist üblich, dass die meisten jüdischen Viertel in Marokko sich in der Nähe des königlichen Palastes befinden, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Das 15. Jahrhundert: eine Periode politischer Instabilität

Im 15. Jahrhundert erlebte Marokko eine Periode politischer Instabilität, in der Wettbewerb um die Macht zwischen den Watasiden-Ministern um die effektive Kontrolle über die Meriniden-Dynastie und auch mit anderen lokalen Fraktionen in Fès stattfand. Im Jahr 1465 wurde Mellah in Fès von muslimischen Einwohnern während einer Revolte, die von den Adlern (Adaris) gegen Sultan Abd al-Haqq II. und seinen jüdischen Minister Harun ibn Batash angeführt wurde, angegriffen. Der Angriff führte zum Tod Tausender jüdischer Bewohner, und viele von ihnen wurden gezwungen, öffentlich ihren Glauben aufzugeben. Die Gemeinde benötigte mindestens ein Jahrzehnt, um sich von diesem Vorfall zu erholen, und wuchs wieder unter der Herrschaft des Watasiden-Sultans Muhammad al-Sheikh (1472-1505).

Synagogen

Ähnlich wie die Altstadt von Fès für ihre vielen Moscheen bekannt war, hieß es, dass "zwischen einer Moschee und einer anderen Moschee eine Moschee existiert", kannte auch Mellah viele Synagogen. Die meisten von ihnen waren Zimmer innerhalb privater Häuser, die von ihren Eigentümern zu Orten des Gebets umgewandelt wurden und durch die Spenden der Gemeindemitglieder unterstützt wurden. Da die Juden drei Gebete pro Tag haben - bei Sonnenaufgang, am Nachmittag und am Abend - waren die Synagogen nur einen kurzen Fußweg von den Bewohnern entfernt. Diese Synagogen unterschieden sich in Größe und Architektur. Einige waren schlicht und frei von Verzierungen, während andere mit Mosaiken, Gipsarbeiten und kunstvollen Holzdecken geschmückt waren und oft die gleiche Dekoration wie die traditionelle marokkanische islamische Architektur aufwiesen.

Unter den bekanntesten jüdischen Tempeln in Mellah gibt es die Synagoge der Fassiyyin, die als die ältesten Synagogen gilt und möglicherweise auf die Meriniden-Ära zurückgeht. Sie wurde bis ins 20. Jahrhundert genutzt.

Eine weitere bekannte Synagoge ist die Ibn Danan-Synagoge, die vermutlich Ende des 17. Jahrhunderts gegründet wurde und im Jahr 1999 als öffentliches Museum restauriert und eröffnet wurde. Das Mellah-Viertel beherbergte mehr als fünfzehn Synagogen, die aufgrund der Trennung zwischen den sephardischen Juden aus Al-Andalus, auch bekannt als "Megorashim", und den jüdischen Maghrebi (arabischen oder berberischen) Juden, bekannt als "Toshavim", entstanden. Die sephardischen Traditionen und Bräuche prägten in den meisten religiösen Aspekten das jüdische Leben in der Gemeinde.

Das Erscheinungsbild

Das Erscheinungsbild des Mellah hat sich in der Zwischenzeit komplett verändert, und die Merkmale und Kleidung, die die Juden einst von anderen unterschieden, sind verschwunden. Die Gebäude, die einst Zentren für jüdische Kultur und Unterhaltung waren, wie das Apollo-Kino auf dem Platz der Handwerker (Place R'cif), sind heute zu Geschäften geworden. Andere Menschen aus den verschiedensten Regionen Marokkos bewohnen nun die Häuser und beteiben die Geschäfte in Mellah.

Die Vergangenheit des jüdischen Lebens in den Mellah-Vierteln  ist nur noch Geschichte. Sie wird von denen wiedergegeben, die es aus erster Hand erlebt haben. Das Geschäftsviertel, das das pulsierende Herz des Mellah war, ist zu einem modernen Handelsplatz geworden ohne sichtbaren Spuren des ehemals pulsierenden jüdischen Lebens und Handelns, wie das Schneidern, Töpfern, das Einlegen von Gemüse und Obst oder das Prägen von Münzen.

Heutzutage erfährt Mellah eine Restaurierungsbewegung, die ähnlich der Restaurierung und Reparatur des Mellah von Marrakesch ist. Mellah von Fès ist zu einer speziellen Touristenattraktion für die Fassi-Juden oder diejenigen geworden, die sich für jüdische Angelegenheiten in Marokko interessieren.

Über Mellah von Fès zu sprechen, ist kein einfaches Unterfangen, sondern erfordert weitere Untersuchungen zu den sozialen und urbanen Aspekten und die Beantwortung von Fragen, um die Religion und Kultur einer marokkanischen Minderheit zu verstehen, die von marokkanischen Bräuchen und Traditionen beeinflusst wurde und religiöse Gesetze des malikitischen Rechts nutzte. Sie hat auch Aspekte des Lebens der Marokkaner beeinflusst, da diese Minderheit bereits vor der Ankunft der arabischen Muslime in Marokko gelebt hat und tausende von Jahren mit ihnen zusammenlebte.

 

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*1: Initiation ist die Aufnahme eines Neulings in eine Standes- oder Altersgemeinschaft, einen Geheimbund o. Ä., besonders die Einführung der Jugendlichen in den Kreis der Erwachsenen.

*2: Fès-Jdid wurde 1276 von den Meriniden als Erweiterung von Fes el Bali (der Altstadt oder Medina: Fès wurde von Idris I. im Jahr 789 an der Stelle des heutigen Viertels der Andalusier gegründet) gegründet und diente als königliche Zitadelle. Ein großer Teil des Stadtteils wird vom historischen Königspalast (Dar al-Makhzen) eingenommen, der einst das Zentrum der Regierung in Marokko war und heute gelegentlich vom König von Marokko genutzt wird. Das Viertel enthält auch das historische Mellah (jüdisches Viertel) der Stadt. Seit 1981 ist es zusammen mit Fes el-Bali als UNESCO-Weltkulturerbe klassifiziert. Stadtteil zwischen der Altstadt und Neustadt.

*3: Semmarin-Tor, das auf das mittlere 13. Jahrhundert n. Chr. zurückgeht, ist eines der Tore zur berühmten historischen Stadt Fès. Es trennt Mellah von der neuen Gasse und dem Handelsviertel. Die wichtigste Eigenschaft dieses befestigten Tores ist sein andalusisches Design und seine gewölbte Decke.

*4: Malhun bedeutet "melodisches Gedicht" und ist eine Musikform, die ihren Ursprung in Marokko hat. Es handelt sich um eine Art städtische, gesungene Poesie, die aus dem ausschließlich männlichen Arbeitermilieu der Handwerkerzünfte stammt. Melhun wurde Jahrhunderte in den Tafilalet-Oasen entwickelt, bevor es sich in anderen Teilen des Maghreb verbreitete.

Autor Idriss Al-Jay*

Übersetzung aus dem Arabischen:
Fouad Filali und Idriss Al-Jay