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Besteht eine Chance, den Universalismus des Islam wiederzuentdecken?

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Die schwierige Dialektik zwischen dem lokaltypischen und dem universalen Islam: Besteht eine Chance für die Muslime, den Universalismus des Islam wiederzuentdecken?

 

Der europäische Islam oder Die schwierige Dialektik zwischen dem lokaltypischen und dem Universalen Islam, Foto: mostafa meraji unsplash.com

Die schwierige Dialektik zwischen dem Lokalen und dem Universalen

Da er sich als Synthese und Vollendung früherer Offenbarungen und religiöser Zivilisationen versteht, hat der Islam einen universellen Charakter. „Wohin man sich auch wendet, da ist das Antlitz Gottes“, heißt es im Koran (Sure 2:115), mit anderen Worten, alles im Universum ist ein göttliches Zeichen und macht Sinn, sodass Muslime keine Religion, Kultur oder kein Gesicht von der göttlichen Gegenwart ausschließen. Das erklärt ihre Neugierde auf das, was von anderswo kommt, und ihr Gefühl des Andersseins. Denken wir an den iranischen Gelehrten al-Bîrûnî (gest. 1050), der nach Indien ging und Sanskrit lernte, um eine Abhandlung über Yoga zu übersetzen und uns sein Buch „Indien“ zu hinterlassen: „ein wahres Studium der Sitten und Bräuche, Religionen, Sprache und Wissenschaften dieses Landes sowie seiner Geographie und seines Volksglaubens (F. Sanagustin, Abû Rayhân al-Bîrûnî : un rationaliste à l'épreuve de l'altérité, BEO, LV, 2003, IFPO, Damas, p. 249-264)“.

Das Prinzip der Einzigkeit Gottes

Der Universalismus des Islam geht bekanntlich auf das Prinzip der Einzigkeit Gottes (tawhid) zurück, die diese Religion beherrscht. Sie wirkt wie eine Umschließung der Barmherzigkeit (Rahma), die alle Dinge umfasst (Sure 7:156). Der klassische Islam hat es in höchstem Maße verstanden, die Dialektik zwischen der göttlichen Einheit und der Vielfalt der Schöpfung, zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen, zwischen der globalen Perspektive ("Islam - Welt") und dem Respekt vor dem Örtlichen zu interpretieren - daher beispielsweise die Wichtigkeit des "Brauchtums" ("urf") in der islamischen Gesetzgebung.

Die logische Konsequenz dieser geistigen Anpassungsfähigkeit in der Zivilisation des klassischen Islam ist nichts anderes als die Weltoffenheit, die ihn kennzeichnet. Der homo islamicus war seiner Zeit ein „Weltbürger“. Er konnte die Länder, in denen der Islam Verbreitung gefunden hatte mit viel weniger Einschränkungen als heute bereisen. Er ging dorthin, wo die muslimischen Mächte stark waren, Wissenschaft, Kunst und Spiritualität schützten. Auf diese Weise zogen die Mamelucken des Nahen Ostens (1250 - 1517) einerseits, die von der Reconquista vertriebenen Andalusier sowie die Maghrebiner und andererseits die Muslime aus den östlichen Gebieten, die durch die Mongolen vertrieben wurden, an. Die Andalusier waren im 16. und 17. Jahrhundert sogar unter den indischen Mongolen zu finden, da es ein äußerst reiches und gastfreundliches Reich war. Es sei hier daran erinnert, dass der Islam eine Religion der Hidschra, der Auswanderung, und nicht der Eroberung ist (al-islâm dîn hijra wa lâ dîn ghazû).

Nationalistischer Fanatismus

Die europäische Moderne schuf um das 17. Jahrhundert herum den "Staat - die Nation". In Wirklichkeit sind die Europäer schnell von nationalen Besonderheiten zum nationalistischen Fanatismus übergegangen, wie die vielen innereuropäischen Kriege bezeugen. Dieses Konzept der Nationalstaaten wurde vor allem in muslimische Länder exportiert: Es brachte "horizontale" Ideologien hervor, in denen die aufkommenden Nationalismen die religiöse Sphäre schnell instrumentalisierten. Diese engstirnigen Nationalismen sind eine offensichtliche Verleugnung der Grundwerte des Islam, der, wie wir gesehen haben, auf Bewegung und Weltoffenheit basiert

Die Hidschra des Propheten muss als bewusste und organisierte Abkehr von der Mekka-Gefolgschaft verstanden werden, die die junge muslimische Gemeinschaft verfolgte. Umfassend betrachtet, wurde der Islam durch einen „Bruch“ mit einer Mentalität aufgebaut, die beherrscht wurde von menschlicher und sozialer Ungleichheit, von Ausbeutung der Menschen durch andere und vom Stammesgeist, der von Natur aus exklusiv und rachsüchtig ist. Aber ist der Islam Europas nicht von vornherein grundlegend ein Hidschra-Islam?

Ist der Islam Europas nicht von vornherein grundlegend ein Hidschra-Islam?
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