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Wasser neu denken: Marokkos stiller Wandel zur Hydrosouveränität

In einer Zeit, in der die globale Wasserkrise längst kein fernes Szenario mehr ist, sondern zur greifbaren Realität gehört, gewinnt das Nachdenken über Ressourcensouveränität eine neue Dringlichkeit.

Ankunft des entsalztes Wasser in Khouribga, Foto Media24

Technische Ausruestung der Pipeline, Foto Media24Die Welt steht an einem Wendepunkt: Nicht nur technologische Antworten sind gefragt, sondern ein tiefgreifendes Umdenken in der Beziehung zwischen Mensch, Umwelt und Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund entfaltet der vorliegende Text von Sanae El Amrani seine besondere Strahlkraft. Mit analytischer Schärfe und einem feinen Gespür für die politischen, ökologischen und gesellschaftlichen Dimensionen zeichnet die Autorin den stillen, aber entschlossenen Wandel Marokkos zur Hydrosouveränität nach. Im Zentrum steht ein Projekt, das auf den ersten Blick als technische Großmaßnahme erscheinen mag - die Wasserpipeline zwischen Jorf Lasfar und Khouribga -, sich jedoch bei näherer Betrachtung als Sinnbild für einen strukturellen Wandel entpuppt.

Sanae El Amrani gelingt es, weit über die reine Infrastruktur hinauszublicken. Sie beschreibt einen tiefgreifenden Prozess, in dem Innovation nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Ermächtigung ist - zur Stärkung regionaler Entwicklung, zur Neugestaltung nationaler Prioritäten und zur Etablierung eines Modells, das Eigenständigkeit mit Verantwortung verbindet. Die von ihr dargestellte Green Water-Strategie der OCP Group ist dabei nicht nur technisches Zukunftsprogramm, sondern ein Ausdruck politischer Weitsicht und unternehmerischer Ethik.

In dieser differenzierten Analyse verschränken sich Technologie, Wissenschaft, Energiepolitik und soziale Kohäsion zu einem ganzheitlichen Narrativ - einem Narrativ, das zeigt, wie aus Ressourcenkonflikten Zukunftsperspektiven entstehen können, wenn langfristiges Denken, lokales Handeln und globale Verantwortung zusammenfinden.

Mit diesem Text leistet Sanae El Amrani nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Debatte über nachhaltige Wasserpolitik. Sie entwirft zugleich ein Referenzmodell für Länder des globalen Südens - und lädt dazu ein, die Zukunft nicht als eine Fortschreibung der Krise, sondern als Chance zur Erneuerung zu begreifen.

 


Pipeline Jorf-Khoribga, Foto Medi1TV Afrique


Ankunft des entsalztes Wasser in Khouribga, Foto Media24
Über 200 Kilometer trennen die Meerwasser-Entsalzungsanlage in Jorf Lasfar an der Atlantikküste vom Phosphatbecken Khouribga im Landesinneren. Mit der Inbetriebnahme einer der bedeutendsten Wasserinfrastrukturen des Jahrzehnts setzt die OCP Group ein starkes Zeichen - an der Schnittstelle von Souveränität, Nachhaltigkeit und Resilienz. Diese Analyse beleuchtet Tragweite, technische Grundlagen, konkrete Auswirkungen sowie die strategische Tiefe eines Projekts, das weit über seinen industriellen Rahmen hinaus als Modell dienen könnte.

Es gibt technische Bauwerke, die leise, aber unübersehbar einen Wendepunkt markieren. Die nun eröffnete Pipeline zwischen Jorf Lasfar und Khouribga gehört genau in diese Kategorie. Auf dem Papier handelt es sich um eine 215 Kilometer lange Leitung, die entsalztes Meerwasser zur Sicherung des industriellen Wasserbedarfs im Bergbauzentrum Khouribga transportieren soll. Doch in der Tiefe steht dieses Projekt für weit mehr als eine bloße infrastrukturelle Maßnahme. Es verkörpert eine strategische Grundsatzentscheidung - für eine bewusst gewählte Wasserautonomie, getragen von technischer Innovation, Ressourcenschonung und einer zirkulären Sichtweise auf das Element Wasser.

Mit einer Jahreskapazität von 80 Millionen Kubikmetern bereits in der ersten Projektphase, gespeist durch erneuerbare Energien und finanziert mit internationaler Unterstützung - unter anderem durch die IFC und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) - markiert diese Initiative einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Wasserknappheit in Marokko. Es geht nicht mehr nur um die Entnahme, sondern um die Erzeugung. Nicht mehr allein um Verteilung, sondern um eine neue Art, Wasser als Ressource ganzheitlich zu denken.

Im weiteren Verlauf dieser Analyse tauchen wir ein in das Herzstück der von OCP getragenen Transformation - von technologischen Innovationen über wissenschaftliche Grundlagen und internationale Finanzierungsmodelle bis hin zu den regionalen Auswirkungen und Perspektiven für eine nachhaltigere Wassergovernance in Marokko. Dieses industrielle Großprojekt erzählt viel über die Zukunft eines Landes unter Druck - und über die Kraft eines nationalen Champions, das Verhältnis zwischen Infrastruktur, Souveränität und Umwelt neu zu gestalten.

Jorf Lasfar - Khouribga: Eine Wasserpipeline als Wegmarke für die Zukunft

Offiziell im Juli 2025 in Betrieb genommen, ist die neue Entsalzungspipeline zwischen der Industrieplattform von Jorf Lasfar und dem Bergbauzentrum Khouribga weit mehr als nur ein Infrastrukturprojekt. Sie markiert einen strategischen Wendepunkt in der Art und Weise, wie die OCP Group - weltgrößter Exporteur von Phosphat - ihre industrielle Leistungsfähigkeit künftig mit der nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen verknüpft. Neben der Versorgung des Bergbauzentrums wird sie auch die Bergbaustandorte sichern. Gleichzeitig verringert sie die Belastung konventioneller Wasserquellen in einer Region, die bereits heute stark vom Wassermangel betroffen ist.

Das Projekt wird von OCP Green Water getragen - einer 2022 gegründeten Tochtergesellschaft, die sich auf alternative Wasserlösungen des Konzerns spezialisiert hat. Es bildet ein zentrales Glied in einem weitreichenden Transformationsprogramm. Ziel ist es nicht einfach, eine Wasserquelle durch eine andere zu ersetzen, sondern die gesamte nationale Versorgungslogik grundlegend neu zu denken.

Mit einer zu 100% aus erneuerbaren Energien gespeisten Meerwasserentsalzung verfolgt die OCP Group eine konsequente Strategie, sich schrittweise von Grundwasser- und Stauseevorkommen unabhängig zu machen. Die Pipeline zwischen Jorf Lasfar und Khouribga ist dabei als erste tragende Achse eines modularen Versorgungssystems konzipiert, das künftig auch andere Produktionsstandorte einbinden kann - zuverlässig, sicher und nachhaltig.

Hinter dieser technischen Großmaßnahme steht ein klares Ziel: Strategische Autonomie - ein Ziel, das zwei Jahre früher als geplant erreicht wurde. Ab 2027 sollen insgesamt 560 Millionen m³ entsalztes Wasser und zusätzlich 60 Millionen m³ aufbereitetes Abwasser jährlich zur Verfügung stehen.

Diese Leistung ist umso bemerkenswerter angesichts der hochkomplexen Infrastruktur, auf der sie fußt: Entsalzungsanlagen in Jorf Lasfar, El Jadida, Safi, Casablanca und Laâyoune, regionale Interkonnektivitäten - und nun eine mineralisch-hydraulische Pipeline, die strategisch gleich doppelt wirkt.

Doch das Projekt Jorf Lasfar-Khouribga ist nicht nur für die Industrie von Bedeutung. Durch die Nutzung entsalzten Meerwassers durch OCP wird dem Staat ermöglicht, erhebliche Mengen an Frischwasser für andere lebenswichtige Bereiche freizugeben - insbesondere für die Trinkwasserversorgung und die landwirtschaftliche Bewässerung. Die Entlastung der ohnehin stark beanspruchten Oberflächenreserven ist dabei von überragender nationaler Bedeutung. OCPs Beitrag geht damit weit über unternehmerische Verantwortung hinaus - er wird zum zentralen Baustein der nationalen Resilienzstrategie angesichts einer der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts: dem nachhaltigen Umgang mit Wasserknappheit.

Die zügige Inbetriebnahme des Projekts ist zugleich Ausdruck beeindruckender operativer Effizienz. Der Großteil der Bauarbeiten, die im ersten Quartal 2023 begannen, konnte termingerecht abgeschlossen werden - trotz logistischer Hürden und technischer Herausforderungen beim Durchqueren unterschiedlicher Regionen. Über eine Million Arbeitsstunden wurden auf der Baustelle geleistet, der Anteil lokaler Beschäftigung lag bei über 85%. Rund 100 Dauerarbeitsplätze werden langfristig für Betrieb und Instandhaltung der Anlage geschaffen. Bereits im September 2023 trafen die ersten Rohrabschnitte im Hafen von Jorf Lasfar ein - ein Zeichen hoher Koordination, getragen vom Ingenieur-Know-how der OCP-Tochter JESA in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern.

Mit dieser Pipeline setzt Marokko ein starkes Zeichen: Es handelt sich nicht um ein Pilotprojekt, sondern um einen paradigmatischen Schritt in eine neue Ära. Eine Ära, in der große Industrieakteure sich nicht mehr nur an Krisen anpassen, sondern vorausschauend handeln, sie bewältigen - und aktiv umgestalten. OCP spielt dabei nicht nur für sich selbst eine zukunftsweisende Rolle, sondern wirkt als Motor, Mittler und Innovationstreiber - national wie kontinental. Mit diesem ersten Meilenstein im Rahmen des Programms „OCP Green Water“ wird der Weg bereitet für eine grundlegende Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Wasser, Industrie und Territorium.

Auf dem Weg zur Wasser-Souveränität

So sichtbar und greifbar die Wasserpipeline Jorf Lasfar-Khouribga auch ist - sie bildet lediglich das erste sichtbare Glied eines viel umfassenderen Masterplans, den die OCP Group seit 2021 unter dem strategischen Namen „Green Water“ verfolgt. Diese mittlerweile vollumfänglich operative Roadmap revolutioniert grundlegend, wie ein global agierender Industriekonzern sich von konventionellen Wasserressourcen emanzipieren und zugleich die nationalen Politiken im Wassersektor stärken kann. OCP reagiert nicht bloß auf den Wassermangel - sie antizipiert eine Zukunft, in der Süßwasser so knapp wird, dass es ausschließlich den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbehalten bleiben sollte.

„Green Water“ ist daher kein bloßer Anpassungsplan, sondern Ausdruck eines konsequenten Paradigmenwechsels hin zu vollkommener Autonomie und nachhaltiger Zirkularität. Das erklärte Ziel: Sämtliche Industrieanlagen des Konzerns zu 100% mit nicht-konventionellem Wasser - also entsalztem Meerwasser oder aufbereitetem Abwasser - zu versorgen.

Ein zentrales Element des Erfolgs von „Green Water“ ist auch sein nachhaltiges Energiemodell. Sämtliche neuen Wasserinfrastrukturen sind so konzipiert, dass sie langfristig vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Diese Übereinstimmung mit dem unternehmenseigenen Energieprogramm - dem Green Investment Program - sorgt dafür, dass die Wasserproduktion unabhängig von fossilen Energieträgern wird. So werden nicht nur die Betriebskosten langfristig gesenkt, sondern auch der CO₂-Fußabdruck des Konzerns drastisch reduziert. Besonders gut lässt sich diese Synergie in Jorf Lasfar beobachten, wo die Entsalzungsanlagen bereits teilweise mit lokal erzeugtem grünem Strom betrieben werden - Erweiterungen durch Solaranlagen befinden sich in der Bau-Abschluss-Phase.

Auch technologisch setzt OCP Green Water auf heimische Innovationskraft. Die Forschung und Entwicklung an der Université Mohammed VI Polytechnique (UM6P) sowie deren internationale Partnerschaften treiben zahlreiche Neuerungen voran: etwa bei der Filtertechnik, der Energieeffizienz oder der Modularität der Anlagen. Diese Entwicklungen wurden zunächst in angewandten Laboren erprobt und anschließend in Pilotprojekte überführt. Dass solche Lösungen lokal entwickelt und an die geografischen und klimatischen Bedingungen Marokkos angepasst werden, gehört zu den Stärken des Programms. So gelingt es OCP, klassische, oft schwerfällige Modelle der öffentlichen Auftragsvergabe zu umgehen und stattdessen eine integrierte, agile Ingenieurstruktur zu etablieren.

Die Finanzierung von Green Water basiert auf einem gemischten Modell, das Eigenmittel mit internationalen Kapitalquellen und strategischen Partnerschaften verbindet. Die Weltbank hat über die IFC einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro für die Realisierung der Jorf Lasfar-Khouribga-Pipeline bereitgestellt, während die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) andere Teile des Programms mit 200 Millionen Euro unterstützt. Diese Mittel sind mehr als bloße Finanzierungsbeiträge - sie zeugen vom Vertrauen internationaler Institutionen in die Governance-Struktur, die wirtschaftliche Solidität und die umweltbezogene Tragweite des Projekts.

In seiner Gesamtheit ist Green Water heute weit mehr als nur eine industrielle Antwort auf die Wasserkrise. Es ist eine umfassende Strategie der Souveränität, Innovation und territorialen Verantwortung, die OCP zu einem Vorreiter des hydrologischen Wandels macht. Durch eine tiefgreifende Neugestaltung des eigenen Verhältnisses zum Wasser übernimmt der Konzern eine Schlüsselrolle im Wandel Marokkos - hin zu einem Land, das wirtschaftliches Wachstum und ökologische Resilienz in Einklang zu bringen sucht. Dies ist nicht nur eine industriepolitische Leistung. Es ist eine politische Aussage im eigentlichen Sinne des Wortes - ein Bekenntnis zu einer neuen Generation national engagierter Akteure.

Konkrete Wirkungen des Projekts

Jenseits eindrucksvoller Zahlen und strategischer Partnerschaften entfaltet das von OCP initiierte Green-Water-Programm bereits heute spürbare Wirkungen in zahlreichen marokkanischen Regionen. Es verändert - meist leise, aber nachhaltig - die Realität in Gebieten, die seit Jahren unter einem doppelten Engpass leiden: Wasserknappheit und das Fehlen tragfähiger Perspektiven zur Wiederbelebung lokaler Entwicklungsdynamiken. Durch den gezielten Aufbau sparsamer, vernetzter Infrastrukturen, die zunehmend auf nicht-konventionelle Wasserquellen setzen, bringt das Unternehmen neue Hoffnung in von Dürre betroffene Räume und fördert dort gezielt Resilienz. Was hier entsteht, ist mehr als ein technischer Fortschritt - es ist eine territoriale Umverteilung von Wasser.

Die Inbetriebnahme der Pipeline Jorf Lasfar-Khouribga verfolgt nicht allein das Ziel, die Bergbauanlagen des Konzerns zu versorgen. Sie macht darüber hinaus bedeutende Mengen an Frischwasser frei, die zuvor für industrielle Zwecke entnommen wurden, und nun für private, landwirtschaftliche und kommunale Nutzungen zurückgeführt werden. Laut den von OCP Green Water und lokalen Behörden zusammengetragenen Zahlen wurden allein im Jahr 2024 über 30 Millionen m³ Trinkwasser für die Bevölkerung und die Landwirtschaft in der Region Khouribga verfügbar gemacht. Diese Freisetzung basiert auf einem vollständigen Substitutionsprinzip: Wo Entsalzung industrielle Wasserbedarfe deckt, wird natürliches Wasser für menschliche Nutzungen freigegeben - ohne Zielkonflikte.

In angrenzenden Provinzen wie El Jadida, Safi, Süd-Casablanca und demnächst auch Laâyoune verfolgt OCP dieselbe Logik. In Casablanca etwa versorgt die kürzlich in Betrieb genommene Entsalzungsanlage bereits nahezu 60 Millionen m³ pro Jahr für öffentliche Nutzungen - ein lebenswichtiger Ausgleich angesichts dauerhaft sinkender Wasserstände in den Talsperren. In Laâyoune wiederum ebnet die Partnerschaft zwischen OCP und dem nationalen Wasserversorger ONEE den Weg für eine direkte Verknüpfung industrieller Produktion mit der städtischen Versorgung. Diese intelligente Ressourcenteilung bricht mit der klassischen Segmentierung der Netze und schafft die Grundlage für einen gerechteren, transparenteren und krisenfesteren Wasserdienst.

Besonders deutlich sind die Auswirkungen jedoch im landwirtschaftlichen Bereich: In peripheren oder semiariden Zonen ermöglicht die teilweise Wiederauffüllung von Grundwasservorkommen sowie der Zugang zu aufbereitetem Wasser eine Neuausrichtung der Kulturen - hin zu höherwertigen, ressourcenschonenderen und wirtschaftlich attraktiveren Anbauformen. Das von IFC und EBRD unterstützte Programm zielt explizit darauf ab, den Übergang von einer extensiven, oft prekären Landwirtschaft zu einer präzise gesteuerten, ressourcenbasierten Agrarwirtschaft zu fördern. Die OCP Group begleitet diesen Wandel aktiv - über ihre Stiftungen und Tochtergesellschaften - und unterstützt bereits heute zahlreiche lokale Kooperativen, insbesondere in der Region Béni Mellal-Khénifra, basierend auf vor-Ort-Daten der Universität Mohammed VI Polytechnique (UM6P).

Ein weiterer wesentlicher territorialer Hebel ist der Arbeitsmarkt. Während der Hochphase der Bauarbeiten an der Pipeline waren bis zu 2.000 Personen beschäftigt, überwiegend aus den durchquerten Regionen. Nach Fertigstellung bleiben über 100 dauerhafte Arbeitsplätze erhalten - für Betrieb, Überwachung und Instandhaltung der Infrastruktur. Doch über diese Zahlen hinaus vollzieht sich eine tiefere Transformation: Der Aufbau eines lokalen Kompetenzökosystems. Zahlreiche marokkanische KMU wurden in die Wertschöpfungskette eingebunden - in Bereichen wie Vorfertigung, Logistik oder Installation. OCP setzt auf eine gezielte Stärkung regionaler Zulieferer, in enger Abstimmung mit CDG und dem marokkanischen Industrieministerium, um die wirtschaftlichen Effekte dauerhaft in den Lebensräumen zu verankern.

Auch die sozialen Effekte des Programms werden zunehmend sichtbar - insbesondere in ländlichen Gegenden, in denen Wasserknappheit zu Abwanderung, Spannungen und sozialer Verarmung geführt hatte. Durch die Entlastung der Grundwasservorkommen und die Optimierung der Bewässerungssysteme gelingt es, ganze Dorfgemeinschaften zu stabilisieren und neue lokale Wirtschaftskreisläufe zu schaffen. Erste Pilotprojekte zur partizipativen Wasserbewirtschaftung wurden ins Leben gerufen, unter anderem in den Regionen Khouribga und El Jadida - getragen von einem Geist des Dialogs und der gemeinsamen Verantwortung. Die OCP Group tritt dabei in einer ungewöhnlichen Rolle auf: nicht als bloßer Dienstleister, sondern als territorialer Partner, der begleitet, strukturiert - und zuhört.

Indem Green Water konsequent auf Win-win-Logiken setzt, überwindet das Programm die rein industrielle Rationalität und wird zu einem Instrument aktiver Raumgestaltung. Wasser, diese lebenswichtige Ressource, wird erneut zum Motor sozialer Inklusion. Und OCP, das diesen Weg mit methodischer Klarheit, Innovationskraft und Beteiligungskultur beschreitet, macht das Wasser zu einem der stärksten Kohäsionshebel des modernen Marokko.

UM6P - Wissenschaft, Innovation und Wassersouveränität

 Université Mohammed VI Polytechnique (UM6P) in Benguerir, Foto: UM6P

Hinter jeder Infrastruktur, jedem Rohrleitungssystem und jeder neuen Entsalzungs-Großanlage, die durch die OCP Group realisiert wird, steht ein wissenschaftliches Rückgrat - ein diskretes, aber strategisches Laboratorium: die Université Mohammed VI Polytechnique (UM6P) in Benguerir. Mehr als ein Campus, versteht sich diese von OCP konzipierte und finanzierte Einrichtung als zentraler Knotenpunkt für die Entwicklung, das Prototyping und die Ingenieurarbeit im Bereich unkonventioneller Wasserquellen. Ihre Rolle geht weit über die akademische Forschung hinaus: Sie verfolgt eine operative Vision - konkrete Lösungen für reale Herausforderungen des marokkanischen Terrains zu entwerfen.

In den Anlagen der UM6P werden fortgeschrittene Entsalzungsverfahren, Membranen der nächsten Generation sowie Recyclingtechnologien für industrielles und landwirtschaftliches Abwasser entwickelt und getestet. Besonders hervorzuheben ist das Innovationszentrum für integrierte Wassersysteme, das sich mit hydrologischer Simulation, Modellierung von Bewässerungsflüssen und der Optimierung der Wassernutzung in ariden Gebieten beschäftigt. Das Zentrum arbeitet zudem an prädiktiven Verteilungssystemen, die Klimavariabilität berücksichtigen und künftig in die Wassersteuerungsplattformen von OCP Green Water eingebunden werden sollen.

Doch die Universität beschränkt sich nicht auf den Laborbetrieb. Sie agiert auch vor Ort, in enger Zusammenarbeit mit Gemeinschaften und regionalen Akteuren. Auf den Versuchsfarmen von Benguerir und Laâyoune untersucht die UM6P den Einfluss unkonventioneller Wasserquellen auf lokale Kulturen, Ernteerträge und die Resilienz der Böden. Diese Farmen dienen zugleich der Ausbildung künftiger Ingenieure und der Unterstützung kleiner Produzenten und Kooperativen bei der Einführung nachhaltigerer landwirtschaftlicher Praktiken. Der gezielte Wissenstransfer vom Labor auf das Feld ist ein zentrales Element der marokkanischen Strategie für eine Wasserautonomie von innen heraus.

Darüber hinaus positioniert sich die UM6P als internationaler Kooperationshub, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt anzieht. Die Universität kooperiert mit renommierten Institutionen wie dem MIT, der Columbia University, dem französischen INRAE sowie mit spezialisierten Zentren in Südafrika und Indien, die sich auf Wasserbewirtschaftung fokussieren. Dieses globale Netzwerk wissenschaftlicher Exzellenz versetzt Marokko in die Lage, technologische Standards mitzugestalten und eigene Lösungen in Ländern mit vergleichbaren Herausforderungen, insbesondere in Subsahara-Afrika, nutzbar zu machen.

Doch am stärksten tritt der Einfluss der Universität in ihrer Fähigkeit zutage, strategische Entscheidungsprozesse zu untermauern. So hat die UM6P eigene Entscheidungshilfesysteme entwickelt, die Industrieakteuren und Gebietskörperschaften ermöglichen, Prioritäten anhand hydrologischer Spannungen, sozialer Bedürfnisse und Investitionsrentabilität zu gewichten. Diese auf Daten und angewandter Wissenschaft basierende Herangehensweise verschafft der OCP Group einen entscheidenden strategischen Vorsprung: Ihre Maßnahmen lassen sich nicht nur mit den eigenen Zielen, sondern auch mit dem allgemeinen Interesse in Einklang bringen.

Die UM6P verkörpert damit ein neues Verhältnis zwischen Forschung und Souveränität. Indem sie das Thema Wasser in seiner ganzen Komplexität - wissenschaftlich, sozial, ökologisch und technologisch - behandelt, liefert sie eine systemische Antwort auf ein Problem, das weit über die industrielle Dimension hinausreicht. Im Modell von OCP ist sie kein bloßer Unterstützer, sondern ein gleichwertiger Akteur, fest verankert im Herzen der Strategie.

Ausblick 2030

Seit Jahren steht Marokko vor einer angespannten hydrologischen Realität: unvorhersehbare Niederschläge, historisch niedrige Stände in den Stauseen, übernutzte Grundwasservorkommen und ein wachsender Wettbewerb zwischen Stadt, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus um die knappe Ressource. In diesem Kontext wird eine neue, integrierte Wasser-Governance immer dringlicher - eine, die über bloße Notfalllogiken hinausgeht. Hier setzt die Strategie von OCP an: Sie ersetzt den Staat nicht, aber sie weist einen realistischen Pfad zu schrittweiser Autonomie, gestützt auf Wissenschaft, Technologie und erneuerbare Energien.

Dieser Weg ist inzwischen in der „Green Water“-Roadmap verankert. Bis 2027 soll der OCP-Konzern vollständig auf entsalztes und recyceltes Wasser umstellen - mit einer geplanten Gesamtkapazität von 620 Millionen Kubikmetern jährlich. Diese bewusst gewählte Unabhängigkeit gibt dem Süßwasser seine ursprüngliche Bestimmung zurück: für den Hausgebrauch, die Landwirtschaft und soziale Zwecke. Darüber hinaus verschafft sie dem Land neue Handlungsspielräume, um sich auf besonders kritische Bereiche zu konzentrieren und dabei auf das Know-how aus dem Industriesektor aufzubauen.

Doch diese Dynamik wirft auch grundsätzliche Fragen für die Wasserpolitik des Landes bis 2030 auf. Welches Modell der bewässerten Landwirtschaft will Marokko künftig fördern? Ein extensives, exportorientiertes Agrarsystem, das heute über 80% der Wasserressourcen verschlingt? Oder eine wertschöpfungsorientierte, lokal angepasste Landwirtschaft, die sich dem Klimawandel stellt? Zwar skizziert die Strategie „Green Generation“ des Landwirtschaftsministeriums diese Transformation bereits - ihre konsequente Umsetzung bleibt jedoch bisher fragmentarisch.

Eine weitere Herausforderung betrifft die Verknüpfung konventioneller Ressourcen - wie Stauseen und Grundwasser - mit neuen Quellen wie Entsalzung und Wiederverwendung in einem echten Kreislaufmodell. Das Projekt von OCP zeigt, dass ein integriertes Management möglich ist - aber es setzt eine geteilte Governance voraus, in der Daten offen zugänglich, Prioritäten transparent und öffentliche Entscheidungen nachvollziehbar sind. Marokko verfügt über das technologische Know-how, über digitale Werkzeuge und qualifizierte Fachkräfte - vorausgesetzt, die Visionen werden zusammengeführt.

Im Ausblick auf 2030 stellt sich daher die zentrale Frage: Kann ein nationales Wassermodell entstehen, das auf der Intelligenz der Nutzung statt auf der Maximierung der Volumen beruht? Das bedeutet: Zugangskanäle neu denken, Preismodelle hinterfragen, Investitionskriterien anpassen. Es bedeutet auch, eine neue Sprache des Wassers zu entwickeln: Wasser als rare, aber gut regierte Ressource; kostbar, aber sinnvoll genutzt; kontrolliert, aber nicht monopolisiert.

Das von OCP vorgestellte Modell erhebt nicht den Anspruch, staatliche Politik zu ersetzen - doch es schafft einen Referenzrahmen: konkret, überprüfbar, technisch und ökologisch belastbar. Es zwingt dazu, die Wasserfrage neu zu denken. Es zeigt, dass Wassersouveränität nicht nur durch Staudämme und Bohrungen erreicht wird, sondern durch langfristiges Denken, effizientes Investieren und faire Verteilung. Genau darin liegt wohl eine der größten Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts: eine Wasserstrategie zu verankern, die territorial gerecht, wirtschaftlich tragfähig und technologisch intelligent ist - ohne Spaltung, ohne Überbietung.

Was mit der Pipeline Jorf Lasfar-Khouribga in Gang gesetzt wurde, ist mehr als eine neue Versorgungsleitung. Es ist eine stille Weggabelung - eine neue Art, sich die Zukunft des Wassers vorzustellen. Und wenn sie gelingt, wird sie über den industriellen Rahmen hinaus Schule machen.