Zum Hauptinhalt springen

Vom Etat zum Engagement - Marokko investiert in seine Jugend

Mit dem Finanzgesetz 2026 schlägt Marokko ein neues Kapitel seiner Sozialpolitik auf: Gesundheit und Bildung rücken ins Zentrum der öffentlichen Ausgaben. 140 Milliarden Dirham sollen nicht nur Infrastrukturen schaffen, sondern den Menschen selbst stärken - als Fundament einer gerechteren, zukunftsfähigen Nation.


Moderne Schulen und Krankenhaeuser. Foto mit Hilfe con ChatGPT erstellt

S. M. König Mohammed VI.Das Finanzgesetz 2026 verleiht eine lang gehegte Hoffnung des Königreichs Gestalt: den Menschen wieder ins Zentrum der öffentlichen Ausgaben zu stellen. In Fortführung der königlichen Leitlinien widmet die Regierung Gesundheit und Bildung ein beispielloses Budget von 140 Milliarden Dirham - fast ein Fünftel des gesamten Staatshaushalts. Nie zuvor haben diese beiden Bereiche eine derart umfangreiche Unterstützung erhalten. Doch dieses Engagement ist mehr als finanziell: es verkörpert eine Philosophie - die eines Staates, der investiert, um zu bilden, zu heilen und die Ungleichheiten des Schicksals zu mindern.

Die Zahlen sprechen für sich. Rund 27.000 neue Stellen werden geschaffen, davon 19.000 im Bildungswesen und 8.000 im Gesundheitssektor. Die Regierung setzt auf eine gezielte Einstellungspolitik, die sich vor allem an junge Absolventinnen und Absolventen richtet, um dem Mangel an Fachkräften in Schulen und Krankenhäusern entgegenzuwirken. Zwei neue Universitätskliniken sollen 2026 in Agadir und Laâyoune eröffnet werden, während die Projekte in Rabat, Béni Mellal, Guelmim und Errachidia rasch voranschreiten. Diese Vorhaben verwirklichen den königlichen Willen, die medizinische Versorgung auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen - auch in Regionen, die bisher vom Fortschritt abgekoppelt waren.

Soziale Neugründung

Die Reform geht jedoch weit über den Bau von Infrastrukturen hinaus. Sie gründet auf einer umfassenden Neuordnung der Gesundheitslandschaft, um die gravierenden Ungleichgewichte zwischen Stadt und Land zu korrigieren. Marokko litt lange unter einem zentralisierten Netz, das sich auf die großen Städte konzentrierte. Das neue Modell zielt darauf, allen Bürgerinnen und Bürgern - ob in Casablanca, Azilal oder Dakhla - einen wohnortnahen Zugang zu einer hochwertigen Versorgung zu gewährleisten. Die Strategie folgt dem Prinzip abgestufter Versorgung: Basisgesundheitszentren und Ambulanzen bilden die erste Linie, Provinz- und Regionalspitäler fungieren als Zwischenglieder, und die Universitätskliniken stehen als Pole der Exzellenz und Forschung an der Spitze.

Ein ähnlicher Ansatz prägt die Bildungspolitik. Nach Jahren der Analyse und Notfallpläne will das Finanzgesetz 2026 nun messbare Ergebnisse in der Reform des öffentlichen Schulwesens erzielen. Die massiven Neueinstellungen, die Sanierung von fast 5.000 Schulen und die Modernisierung der Lehrpläne sollen das Vertrauen der Familien zurückgewinnen und die Schulabbrüche verringern. Eine bessere Steuerung der Klassengrößen gilt dabei als entscheidend, um Qualität und pädagogisches Gleichgewicht zu sichern. Eine durchschnittliche Klassenstärke von 25 bis 27 Kindern in der Grundschule wird als optimaler Wert angesehen - förderlich für Aufmerksamkeit, individuelle Förderung und Lernerfolg.

Über die Zahlen hinaus zeigt sich der Geist des Textes in seiner Methodik: Dezentralisierung, Koordination und Leistungsorientierung. Die Regierung will sich endgültig von der Logik isolierter Budgetposten verabschieden. Künftig wird jedes Schul- oder Gesundheitsprojekt in enger Abstimmung mit lokalen Behörden, gewählten Vertretern und technischen Diensten geplant. Eine Schule ohne Zufahrtsstraße oder ein Gesundheitszentrum ohne Trinkwasseranschluss - das soll der Vergangenheit angehören. Eine entsprechende Anweisung des Innenministeriums an Walis und Gouverneure legt fest: Kein Projekt darf mehr ohne Koordination zwischen Infrastruktur und öffentlichem Dienst genehmigt werden.

Diese territoriale Herangehensweise ist zugleich eine Antwort auf die gesellschaftlichen Erwartungen der letzten Monate. Die Proteste junger Menschen, oft als Ausdruck von Ungeduld interpretiert, erinnerten das Land vielmehr an die Dringlichkeit, in jene beiden Säulen zu investieren, die über Würde entscheiden: Bildung und Gesundheit. Der Ministerrat hat die Botschaft verstanden: Es geht nicht mehr um die bloße Feinjustierung von Haushaltsbilanzen, sondern um die Neugründung des marokkanischen Sozialmodells. Die Zuweisung von 140 Milliarden Dirham ist kein Zufall - sie markiert einen Wendepunkt, ein Zeichen des Vertrauens in die Jugend und ein Versprechen des Staates, ihr Zukunftsperspektiven zu eröffnen.

Die Bewährungsprobe

Ob die Verwaltung diesem Anspruch gerecht wird, bleibt abzuwarten. Bürokratische Hürden, verzögerte Auszahlungen und Defizite in der Governance könnten die Wirkung dieser Investitionen gefährden. Die Herausforderung besteht nun darin, die tatsächliche Umsetzung sicherzustellen und eine Verpflichtung zu messbaren Ergebnissen zu verankern - ein zentrales Element der geplanten Reform des organischen Finanzgesetzes. Marokko darf sich nicht länger damit begnügen, Geld auszugeben, um Aktivität zu zeigen; es muss investieren, um zu verwandeln.

In diesem kollektiven Kraftakt werden die menschlichen Ressourcen eine Schlüsselrolle spielen. Obwohl das Königreich über mehr als 600.000 Beamte verfügt, bleibt die Leistungsfähigkeit der Verwaltung ungleichmäßig. Das Finanzgesetz 2026 will eine neue Verwaltungskultur begründen - weg von der Logik der bloßen Anwesenheit, hin zu jener des Beitrags. Effizienz soll künftig nicht mehr am Verbrauch des Budgets, sondern an der Wirkung für die Bürger gemessen werden.

Damit vollzieht sich ein tiefer Wandel: Ein Staat, der bildet, heilt und mit Anspruch handelt, der die Qualität des öffentlichen Dienstes ins Zentrum seines Handelns stellt. Mit diesem ersten Pfeiler sendet Marokko eine klare Botschaft: Nationale Souveränität bedeutet auch soziale Souveränität. Wer seine Bürger bildet, versorgt und befähigt, stärkt die Widerstandskraft des Landes. Das Finanzgesetz 2026 macht daraus den Kern seiner Strategie - und bestätigt, dass der Mensch nicht Kostenfaktor, sondern die verlässlichste aller nationalen Reichtümer ist.