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Oberflächlichkeit und Desorientierung: Blick auf die digitale Gegenwart

In seinem jüngsten Beitrag wirft der marokkanische Autor und Publizist Abdelhak Najib einen ungeschönten Blick auf den Zustand unserer hypervernetzten Gesellschaft. Mit klarem Ton und philosophischer Tiefe fragt er, was vom Begriff „Fortschritt“ bleibt, wenn er zunehmend von digitaler Eitelkeit überlagert wird - und was vom Menschen, wenn die Suche nach Likes zur neuen Existenzform wird.

Der Mensch im Labyrinth des Netzwerkes. Foto mit Hilfe von Gemini erstellt

Najib beschreibt eine Welt im Umbruch, in der technologische Errungenschaften zwar allgegenwärtig sind, der gesellschaftliche Kompass jedoch ins Wanken geraten ist. Es ist eine Diagnose der Verwirrung: Die moderne Realität erscheint fragmentiert, getrieben von Beschleunigung und medialer Dauerpräsenz - mit einem hohen Preis. Die Menschlichkeit, so seine These, gerät ins Hintertreffen; echte Gefühle und substanzielle Beiträge drohen unter dem Gewicht der digitalen Dauerinszenierung zu verschwinden.

Besonders scharf fällt seine Kritik an den sozialen Netzwerken aus. Das Internet, einst als Ort der freien Meinungsäußerung gefeiert, wird hier als gefährlich unregulierter Raum beschrieben, in dem Expertise durch Lautstärke ersetzt wird. Die Allgegenwart selbsternannter Coaches, Experten und Meinungsführer sieht Najib als Symptom einer tieferliegenden Verunsicherung: In einer Welt ohne klare Maßstäbe scheint jeder berufen, sich selbst zur Autorität zu erklären.

Doch der Text bleibt nicht bei der Analyse der Symptome stehen. Vielmehr ruft Najib zu einer Rückbesinnung auf: auf Eigenverantwortung, auf Reflexion, auf das Wesentliche. Er plädiert dafür, sich dem schnellen Urteil zu entziehen und sich wieder dem zuzuwenden, was Bestand hat - dem eigenen Leben, dem persönlichen Wachstum, dem stillen Wirken im Verborgenen. Die Gegenbeispiele, die er nennt - Frauen in Wissenschaft und humanitärer Arbeit, die fernab der digitalen Bühne Außerordentliches leisten -, machen deutlich, dass es Alternativen zur Scheinwelt des Internets gibt. Sie stehen für ein anderes Verständnis von Erfolg: eines, das auf Tiefe, Wirkung und Integrität basiert.

Najibs Text ist keine kulturpessimistische Abrechnung, sondern eine streitbare Einladung zur Selbstbefragung. Seine Fragen treffen einen Nerv: Haben wir verlernt, zwischen Schein und Substanz zu unterscheiden? Zwischen dem, was unser Leben wirklich nährt, und dem, was es nur flüchtig bespielt? In einer Zeit, in der das Triviale oft lauter gefeiert wird als das Bedeutende, wirkt seine Stimme wie ein notwendiger Zwischenruf.

Diese Kritik bleibt nicht folgenlos. Sie fordert heraus - intellektuell wie emotional - und zwingt dazu, das eigene Verhältnis zur digitalen Welt zu überdenken. Insofern ist Najibs Beitrag mehr als eine Bestandsaufnahme: Er ist ein Aufruf zur Rehumanisierung des Fortschrittsbegriffs - und zur Rückgewinnung eines inneren Maßes im Zeitalter der Maßlosigkeit.