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Marokkos finanzieller Spagat zwischen Wachstum und Verschuldung

Marokko, ein Land im Aufbruch, sieht sich einer wachsenden finanziellen Herausforderung gegenüber: Seine sogenannte globale Außenposition ist negativ und hat sich weiter verschlechtert. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass Marokko dem Rest der Welt mehr Geld schuldet, als es an eigenen finanziellen Werten im Ausland besitzt. Dies steht im Gegensatz zu Wirtschaftsmächten wie Deutschland, die als Netto-Gläubiger auftreten.

Marokkos und Deutschland Aussenpositionen. Fiktives Bild mit Hilfe von Gemini erstellt

Laut aktuellen Zahlen des marokkanischen Währungsamtes (Office des Changes) belief sich die Netto-Verschuldung Marokkos gegenüber dem Ausland Ende März 2025 auf 746,7 Milliarden Dirham. Das ist ein Anstieg von 53,6 Milliarden Dirham im Vergleich zu Ende Dezember 2024. Diese Entwicklung resultiert hauptsächlich aus einer Zunahme der finanziellen Verpflichtungen – also dessen, was Marokko dem Ausland schuldet – sowie einem leichten Rückgang der eigenen finanziellen Guthaben im Ausland.

Woher kommt diese Entwicklung?

Der Anstieg der Verpflichtungen ist vor allem auf eine deutliche Zunahme ausländischer Direktinvestitionen zurückzuführen. Das ist prinzipiell eine gute Nachricht, denn es bedeutet, dass ausländische Unternehmen Vertrauen in Marokkos Wirtschaft haben und direkt vor Ort investieren – etwa durch den Bau von Fabriken oder den Kauf von Anteilen an marokkanischen Firmen. Obwohl diese Investitionen Wachstum und Arbeitsplätze schaffen, stellen sie gleichzeitig Verpflichtungen dar, da die Investoren Ansprüche an zukünftige Gewinne oder das investierte Kapital haben. Auch Portfolio-Investitionen, also der Kauf marokkanischer Aktien oder Anleihen durch Ausländer, trugen im geringeren Maße zur Erhöhung der Verpflichtungen bei.

Gleichzeitig verringerten sich die marokkanischen finanziellen Guthaben im Ausland, insbesondere durch einen Rückgang der offiziellen Währungsreserven. Das ist das Geld, das die marokkanische Zentralbank in Fremdwährungen hält, um die Stabilität der Währung und die Zahlungsfähigkeit des Landes zu sichern.

Der Unterschied: Marokko als "Schuldner", Deutschland als "Gläubiger"

Um die Situation Marokkos besser einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf Deutschland. Während Marokko eine negative globale Außenposition aufweist – also dem Ausland mehr schuldet als besitzt –, ist Deutschland ein klares Beispiel für das Gegenteil. Deutschland hat eine positive globale Außenposition, was bedeutet, dass es dem Rest der Welt deutlich mehr an finanziellen Werten (z.B. durch deutsche Firmenbeteiligungen im Ausland, ausländische Aktien oder Anleihen in deutschem Besitz) besitzt, als es selbst an Verpflichtungen gegenüber dem Ausland hat.

Dieser Unterschied ist maßgeblich auf die Wirtschaftsstrukturen zurückzuführen: Deutschland, als große Exportnation mit langjährigen Leistungsbilanzüberschüssen, hat über Jahrzehnte hinweg Kapital im Ausland aufgebaut. Marokko hingegen ist ein Schwellenland, das auf ausländische Investitionen und Kredite angewiesen ist, um seine Infrastruktur auszubauen, Wachstum zu fördern und den Lebensstandard seiner Bevölkerung zu verbessern.

Ausblick: Wachstum finanzieren

Die negative globale Außenposition Marokkos ist in einem gewissen Maße Ausdruck des Entwicklungspfades. Das Land braucht Kapital, um in Projekte wie die Bewältigung der Wasserknappheit, Infrastruktur oder Industrie zu investieren. Diese Investitionen kommen oft aus dem Ausland und erhöhen somit die Verpflichtungen. Die Herausforderung für Marokko besteht darin, diese externen Mittel so einzusetzen, dass sie nachhaltiges Wachstum generieren, welches langfristig die Fähigkeit zur Bedienung der Verpflichtungen stärkt und letztlich zu einer gesünderen finanziellen Position führen kann.

Marokkos finanzielle Entwicklung ist somit ein Balanceakt: Das Land muss einerseits Investitionen anziehen, um seine Wirtschaft anzukurbeln, und andererseits sicherstellen, dass die daraus resultierenden Verpflichtungen tragbar bleiben.