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Marokkos Anspruch auf die Westsahara - Fragen des Selbstbestimmungsrechts

Seite 5 von 7: Fragen des Selbstbestimmungsrechts

Fragen des Selbstbestimmungsrechts

Zur Begründung ihres Anspruchs auf einen separaten “saharauischen Staat” beruft sich die Polisariobewegung auf das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Völker. Dies nun ist ein vieldeutiger, eher politischer als juristischer Begriff. Er besagt keineswegs, dass jeder auch noch so kleinen Volksgruppe das Recht auf eigene staatliche Organisation genuin zusteht. Wäre das so, dann müsste beispielsweise die Russische Föderative Republik - das Überbleibsel der zerfallenden Sowjetunion - nach völkerrechtlichen Prinzipien weiterhin in zwei Dutzend selbständige Staaten zerlegt werden. Denn diese Republik beherbergt, neben den “Großrussen”, nicht weniger als 23 nationale Minderheiten - deren kleinste das nur 800 Seelen umfassende Volk der Ewenken in der Taiga ist. Es ist gewiss keine Frage, dass hier vielleicht beschränkte Autonomie in gewissen Bereichen des öffentlichen Lebens, aber niemals souveräne Staatlichkeit zu rechtfertigen ist.

Seit 1975 wird Marokko die Souveränität über die Westsahara weder von Spanien noch von Frankreich ernsthaft streitig gemacht - mit der Maßgabe, dass beide Staaten jedenfalls keinerlei eigene Hoheitsansprüche in diesem Gebiet mehr verfolgen. Die Widerstandsbewegung

“Frente Polisario” wurde zwar, wenngleich nicht offiziell, auch von spanischer und französischer Seite diskret gefördert, aber die massiv offene Unterstützung kam doch, verstärkt seit 1979, von der Republik Algerien.

Man kann die Polisario schwerlich als “eingeborene” Bewegung bezeichnen, obwohl sie für die “Befreiung der Eingeborenen” zu kämpfen vorgibt. Sie selbst hat ihr Hauptquartier, ihre siedlungsmäßigen und logistischen Schwerpunkte eindeutig in Algerien, dessen westliche Grenzgebiete ihr auch als Rückzugs-, Rekrutierungs- und Ruheräume dienen. Zum Schutz gegen das Einsickern der Polisario in die befriedeten saharischen Provinzen hat Marokko einen Festungswall (“le mur”) an der Ostgrenze zu Algerien errichtet, wo ein nicht geringer Teil der marokkanischen Armee weiträumig patrouilliert oder in kleinen Forts auf bewaffnetem Posten steht.

Es ist mehr als zweifelhaft, ob es ein indigenes “saharauisches Volk” überhaupt gibt. Die gesamte Sahara wurde früher und wird größtenteils heute noch - von Nomaden bewohnt, die, wie bereits bemerkt, nach völkerrechtlichen Grundsätzen einen “Staat” gar nicht gründen können, solange sie eben nicht sesshaft geworden sind. Bezeichnenderweise kämpft die Polisario selbst nicht für einen großsaharauischen Staat, dem dann ja auch die in Algerien, Mauretanien, Mali und Senegal lebenden Saharauis angehören müssten, sondern für einen Separatstaat nur auf alt- und neumarokkanischem Boden.

Diese Unlogik ist durchsichtig genug. Und es kommt die Tatsache hinzu, dass diejenigen Saharauis, die auf diesem Boden sesshaft geworden sind, sich ganz überwiegend als Marokkaner fühlen; aus welchem Grund sonst hätte etwa der Groß-Stamm der Tekna dem jetzigen König von Marokko ausdrücklich den Huldigungseid der “Baya” geleistet?

Das Problem der Kolonialgrenzen
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