Zwischen globaler Verantwortung und strategischem Realismus
Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen, wachsender Klimarisiken und globaler wirtschaftlicher Rivalitäten hat Frankreich eine umfassende Neuausrichtung seiner internationalen Zusammenarbeit angekündigt. Unter dem Titel „Solidarische und nachhaltige internationale Partnerschaften“ verfolgt Paris das Ziel, seine außenpolitische Strategie stärker mit globalen Herausforderungen und nationalen Interessen zu verzahnen – mit besonderem Fokus auf Afrika, Innovation und einer Reform der internationalen Institutionen.
Frankreich setzt auf eine strategische Neugestaltung seiner Außenpolitik mit dem Ziel, internationale Kooperation mit geopolitischer Relevanz zu verbinden und gleichzeitig seine Position in Afrika und gegenüber vulnerablen Staaten zu stärken. Die neue Strategie basiert auf drei zentralen Säulen: Bekämpfung globaler Ungleichheiten, Schutz der Umwelt und Förderung von Stabilität, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent – als Schlüssel zur Sicherung des europäischen Umfelds.
Frankreich plant, 60% seiner Entwicklungshilfe in Form von Zuschüssen den am wenigsten entwickelten und besonders klima- oder schuldengefährdeten Ländern zukommen zu lassen. Grundlage ist der Multidimensionale Vulnerabilitätsindex (MVI) der Vereinten Nationen. Damit soll die Hilfe stärker an realen Bedürfnissen ausgerichtet werden und sich von kurzfristigen geopolitischen Interessen emanzipieren. Auch Marokko könnte von diesem Ansatz profitieren – etwa im Rahmen nachhaltiger Agrarprojekte als Antwort auf die jüngsten US-Handelshemmnisse.
Innovation und Unternehmertum als Entwicklungsmotor in Afrika
Ein zentrales Element der Strategie ist die Förderung afrikanischer Start-ups und KMU – insbesondere in Zukunftssektoren wie Agrartechnologie und erneuerbare Energien. Mit einer Kombination aus öffentlicher und privater Finanzierung sowie gezieltem Technologietransfer sollen lokale Wertschöpfung und Beschäftigung gestärkt und irreguläre Migration reduziert werden. Gleichzeitig bietet dies französischen Unternehmen wie TotalEnergies oder Orange neue wirtschaftliche Perspektiven.
Ab 2025 werden französische Botschaften länderbezogene Strategien entwickeln, die sich auf Energiewende, digitale Inklusion und klimafreundlichen Verkehr konzentrieren. Konzerne wie Vinci oder EDF sollen gezielt in den Bau „strategisch relevanter und nachhaltiger Infrastrukturprojekte“ eingebunden werden. Damit positioniert sich Frankreich als Alternative zu chinesischen und US-amerikanischen Großinitiativen – mit dem Anspruch, zugleich lokale Bedürfnisse und globale Ziele zu berücksichtigen.
Die Agence Française de Développement (AFD) soll strukturell reformiert werden, um effizienter und fokussierter agieren zu können. Künftig liegt der Schwerpunkt auf Bereichen, in denen Frankreich über besondere Expertise verfügt: Gesundheit, Landwirtschaft, Digitalisierung und Energiewandel. Zusätzlich sollen zukunftsweisende Themen wie künstliche Intelligenz und kritische Rohstoffe stärker adressiert werden. Ziel ist es, mit mehr Präzision und Wirkung dem wachsenden Einfluss Chinas und Russlands entgegenzutreten – ohne in neokoloniale Denkmuster zurückzufallen.
Frankreich hebt ausdrücklich hervor, dass Afrika im Zentrum seiner außenpolitischen Agenda steht. Neben Investitionen in Infrastruktur und Ernährungssouveränität sollen auch Spitzentechnologien – etwa im Bereich Geodatenanalyse – gefördert werden. Die mögliche Verknüpfung von Entwicklungshilfe mit migrationspolitischen Zielen – etwa als Bedingung für Kooperation – birgt jedoch das Risiko, bei Partnerstaaten auf Vorbehalte zu stoßen.
Frankreich setzt sich zudem für eine tiefgreifende Reform der internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF, der Weltbank oder dem Grünen Klimafonds ein. Ziel ist es, deren Reaktionsfähigkeit auf globale Krisen zu stärken und insbesondere den Schuldenabbau in ärmeren Ländern zu fördern. Dabei stellt sich Paris dem Wettbewerb mit finanzstarken Akteuren wie den USA und China.
Balance zwischen Idealismus und geopolitischem Kalkül
Diese neue außenpolitische Agenda markiert einen Wendepunkt für Frankreich. Sie vereint Ambitionen für ein erneuertes Multilateralismusverständnis mit strategischem Realismus. Ihr Erfolg hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, wirtschaftliche Interessen mit glaubwürdiger Solidarität zu verbinden – und dabei auch auf Augenhöhe mit den Partnern in Afrika zu handeln.