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Verdoppelung des Staatslandes - Hintergründe Einer Bodenrevolution

Von 4,2 auf 9,3 Millionen Hektar in nur zwei Jahren: Marokko hat den Umfang seines privaten Staatseigentums ausgeweitet. Eine neue Gesetzesreform und eine Modernisierung des Katasters sollen Investitionen erleichtern und große Entwicklungsprojekte absichern.

 Staatsland, Foto mit Hilfe von ChatGPT erstelltNadia Fettah Alaoui, Foto: barlamane.comZwischen 2023 und Mitte 2025 ist die Fläche des privaten Staatseigentums in Marokko von 4,2 auf rund 9,3 Millionen Hektar angewachsen. Wirtschafts- und Finanzministerin Nadia Fettah Alaoui führt diesen Sprung auf konsequente Katasterarbeit, gezielte Ankäufe sowie Partnerschaften mit öffentlichen und halböffentlichen Akteuren zurück.

Die Reduktion nicht registrierter Grundstücke auf nur noch 0,02% belegt laut Ministerin die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen. Ziel ist es, Bodenreserven zu schaffen, die gezielt für Stadtentwicklung, Infrastruktur und wirtschaftliche Großprojekte genutzt werden können.

Gesetzliche Grundlagen im Wandel

Ein neuer Gesetzentwurf soll Definition, Verwaltung und Nutzung des privaten Staatseigentums klar regeln, Verfahren vereinfachen und bündeln. Er räumt dem Staat ein Vorkaufsrecht beim Erwerb von Immobilien oder dinglichen Rechten ein - unter Beachtung des durch die Verfassung garantierten Eigentumsrechts. Damit sollen künftige Stadtgebiete, Industriecluster und Infrastrukturen planbar entstehen können.

Kataster als Motor der Entwicklung

Herzstück der Strategie ist die Modernisierung des Katasters. Bis Ende Juni 2025 wurden rund 2,77 Millionen Hektar neu vermessen und rechtlich gesichert. Ein Abkommen mit der Nationalen Agentur für Grundbuch, Kataster und Kartografie (ANCFCC) ermöglicht die kontinuierliche Aktualisierung sämtlicher staatlicher Liegenschaften.

Auch historisch ist das Katasterwesen in Marokko ein zentraler Hebel: Erste Projekte begannen bereits in den 1960er Jahren, in den 1970ern wurden gesetzliche Grundlagen und Strukturen geschaffen. Heute dient es nicht nur der Eigentumssicherung, sondern auch der aktiven Bodenmobilisierung.

Komplexe Landrechte im marokkanischen Kontext

Das marokkanische Bodenrecht ist durch verschiedene Kategorien geprägt:

  • Melk-Land: privat, übertragbar, beleihbar
  • Kollektives Land: stammesgebunden, nicht übertragbar
  • Guich-Land: staatlich gewährte Besitzrechte
  • Habous (Waqf): religiös gebundene, unveräußerliche Güter

Die Integration bestimmter Flächen aus diesen Kategorien in das private Staatseigentum erlaubt eine zentral gesteuerte und rechtlich gesicherte Verwaltung.

Partnerschaften und Sonderaktionen

Um den Grundbesitz zu erweitern, arbeitet das Wirtschaftsministerium eng mit anderen Behörden zusammen:

  • Das Innenministerium brachte Gemeinschaftsgüter ein.
  • Das Ministerium für Ausrüstung und Wasser überführte Flächen, die ihren öffentlichen Nutzungscharakter verloren haben, in das private Staatseigentum.
  • Die staatliche Immobiliengruppe Al Omrane stellt Flächen in Stadtentwicklungs- und Wohnbauprojekten bereit.

In den südlichen Provinzen laufen Sonderaktionen: Klassifizierung, Herkunftsermittlung, Vermessung und Parzellierung bislang nicht registrierter Grundstücke - verbunden mit der Einreichung von Grundbucheintragungen. Ziel ist es, strategische Entwicklungsprojekte in diesen Regionen abzusichern.

Ein strategischer Schritt für Marokkos Zukunft

Der massive Ausbau des privaten Staatseigentums ist kein isoliertes Vorhaben, sondern Teil einer langfristigen Bodenpolitik. Strategische Reserven, ein modernes Kataster, die Harmonisierung komplexer Rechtsregime und eine neue Gesetzesreform sollen die Grundlage für Investitionen, Stadtentwicklung und wirtschaftliche Transformation schaffen.

Fazit: Marokko vollzieht eine stille Bodenrevolution - leise, systematisch und mit weitreichenden Konsequenzen für die Gestaltung der Städte und Wirtschaftszentren von morgen.