Neue Sahara-Strategie - Hintergrund, Entwicklungen und Perspektiven
Die Südprovinzen Marokkos - international oft als „Westsahara“ bezeichnet - sind ein rund 266.000 Quadratkilometer großes Gebiet im äußersten Süden des Königreichs. Es grenzt im Süden an Mauretanien, im Osten und Nordosten an Algerien und erstreckt sich im Westen entlang der Atlantikküste. Seit der Wiedererlangung dieses Territoriums nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht im Jahr 1975 steht der größte Teil unter marokkanischer Verwaltung.
Die Zugehörigkeit dieser Provinzen zu Marokko ist unbestreitbar - historisch, rechtlich und kulturell. Bereits vor der Kolonialzeit bestanden enge politische und soziale Bindungen zwischen den Stämmen der Region und der marokkanischen Krone. Der sogenannte „Grüne Marsch“ von 1975 gilt als symbolischer Ausdruck des nationalen Willens zur Wiedervereinigung des Landes.
Über Jahrzehnte prägte die Sicherheitslage die internationale Debatte. Marokko begründete seine Souveränität über die Region vor allem mit der Notwendigkeit, Stabilität in einem strategisch wichtigen Raum zu sichern und separatistischen Bewegungen, insbesondere der von Algerien unterstützten Polisario-Front, entgegenzutreten.
Eine entscheidende Wende kam im Dezember 2020, als der damalige US-Präsident Donald Trump den marokkanischen Autonomieplan offiziell unterstützte. Dieser Plan sieht vor, den Südprovinzen weitreichende Selbstverwaltungsrechte zu gewähren - im Rahmen der marokkanischen Souveränität und territorialen Integrität. In den Folgejahren schlossen sich Spanien, Frankreich, Deutschland und über hundert Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dieser Position an.
Marokko nutzte diesen diplomatischen Durchbruch, um seine Strategie neu auszurichten. An die Stelle einer reinen Sicherheitsargumentation tritt heute eine wirtschaftsorientierte Vision. Großprojekte im Infrastrukturbereich sollen die Entwicklung der Region beschleunigen, internationale Investoren anziehen und den marokkanischen Anspruch nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich fest verankern.
Das Vorzeigeprojekt ist der Tiefseehafen Dakhla Atlantique, der für 1,2 Milliarden Dollar entsteht und bis 2029 als Drehscheibe für den Handel zwischen Westafrika, Europa und Lateinamerika dienen soll. Geplant sind umfangreiche Exporte von Agrarprodukten, Meeresfrüchten, Phosphaten und seltenen Erden. Eine neue Autobahnverbindung nach Tanger - dem bedeutendsten Handelshafen Marokkos - wird die Anbindung an europäische Märkte zusätzlich verbessern.
Diese wirtschaftliche Offensive zeigt bereits Wirkung: Großbritannien begründete seine Unterstützung für den Autonomieplan im Juni 2025 auch mit handfesten Wirtschaftsinteressen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lobte die marokkanischen Entwicklungsbemühungen in der Region und erklärte die sozioökonomische Förderung der Südprovinzen zu einem „Gebot“.
Zusätzlichen Schwung erhält die Entwicklung durch die gemeinsame Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 mit Spanien und Portugal. Das Turnier wird nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich und infrastrukturell neue Impulse setzen.
Offen bleibt allerdings die humanitäre Dimension: In den Flüchtlingslagern von Tindouf im Südwesten Algeriens leben seit fast fünf Jahrzehnten rund 173.000 Menschen unter der Kontrolle der Polisario-Front. Berichte der Vereinten Nationen dokumentieren systematische Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen Frauen, und werfen der Polisario die Zweckentfremdung internationaler Hilfsgelder vor. Marokko betont, dass eine dauerhafte Lösung nur durch eine Rückführung und Eingliederung dieser Menschen in die marokkanische Gesellschaft möglich ist - in Sicherheit, Würde und mit Perspektive.
Internationale Beobachter sehen Marokkos pragmatischen Ansatz als zunehmend erfolgreich. Für ein friedliches und dauerhaftes Ergebnis wird jedoch entscheidend sein, die wirtschaftliche Integration mit gesellschaftlichem Dialog zu verbinden - innerhalb des Rahmens der unteilbaren marokkanischen Souveränität.