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Marokko weitet Meerwasserentsalzung zur Bekämpfung der Dürre aus

Marokko steht seit mehreren Jahren vor erheblichen Herausforderungen im Wassersektor, insbesondere durch die Folgen des Klimawandels und die zunehmende Wasserknappheit.

 

Marokko weitet Meerwasserentsalzung aus. Fiktives Foto mit Hilfe von Gemini erstelltDer Minister für Wasser und Ausrüstung, Herr Nizar Baraka, stellte im Rahmen einer Fachkonferenz in Casablanca die jüngsten Fortschritte und geplanten Maßnahmen der marokkanischen Wasserstrategie vor. Ziel sei es, den Auswirkungen des Klimawandels, der anhaltenden Dürre sowie dem wachsenden Wasserbedarf entschlossen zu begegnen.

Marokko steht vor einer der größten Herausforderungen seiner jüngeren Geschichte im Bereich der Wasserressourcen“, erklärte Minister Baraka. „Unsere Strategie zielt darauf ab, unsere Versorgung langfristig zu sichern und gleichzeitig die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung in ländlichen wie urbanen Regionen zu schaffen.

Derzeit betreibt das Königreich 17 Meerwasserentsalzungsanlagen. Vier weitere befinden sich im Bau. Zudem sind neun zusätzliche Anlagen geplant. Damit soll bis 2030 eine Gesamtkapazität von 1,7 Milliarden Kubikmetern entsalztem Wasser pro Jahr erreicht werden.

Entsalztes Wasser als Ressourcenschlüssel - jedoch kein Einsatz für Weizenproduktion

Wegen der hohen Kosten und der großflächigen Agrarnutzung sei die Verwendung entsalzten Wassers für den Weizenanbau nicht vorgesehen. Vielmehr ermögliche die Entsalzung, wertvolle Süßwasserressourcen aus Stauseen für landwirtschaftliche Betriebe im Landesinneren bereitzustellen. „Wir setzen auf eine intelligente Umverteilung, um unsere landwirtschaftlichen Zonen auch bei reduzierten Niederschlägen effizient versorgen zu können“, so der Minister.

Stauseefüllstände erholen sich leicht - weitere Infrastrukturprojekte geplant

Dank der diesjährigen Regenfälle konnten die Füllstände der nationalen Stauseen zum Stichtag 11. Juni 2025 auf knapp 40% ansteigen - eine Verbesserung gegenüber 31% im Vorjahr. Dennoch bestehe weiterhin Handlungsbedarf, da die Verteilung der Niederschläge äußerst ungleich verlaufe.

Ein zentraler Baustein der Wasserstrategie ist daher die Erweiterung einer strategischen Wasserleitung, die derzeit den wasserreichen Nordwesten mit Rabat und Casablanca verbindet. Diese soll künftig auch die von Dürre betroffenen Regionen Doukala und Tadla mit Wasser versorgen.

Das Projekt wird durch finanzielle Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ermöglicht und beinhaltet den Bau einer 1.400 Kilometer langen Hochspannungsleitung, über die erneuerbare Energie aus dem Süden zu Entsalzungsanlagen im ganzen Land geleitet wird. „Der Einsatz von Solar- und Windenergie in der Wasserproduktion wird uns helfen, die Betriebskosten deutlich zu senken und die ökonomische Tragfähigkeit der Entsalzungsinfrastruktur zu sichern“, betonte Minister Baraka.

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft: Verzicht auf wasserintensive Kulturen

Im Sinne eines ressourcenschonenden Umgangs mit Wasser hat das Ministerium konkrete Maßnahmen in der Landwirtschaft umgesetzt: Der Anbau wasserintensiver Kulturen wie Melonen wurde in der Provinz Tata untersagt und in Zagora - einer weiteren betroffenen Region - um 75% reduziert.

Die vergangenen Jahre haben uns deutlich vor Augen geführt, wie tiefgreifend die Folgen von Dürre, Ressourcenverknappung und globalen Klimaveränderungen auf unser Land wirken. Diese Realität erfordert eine kohärente, zukunftsgerichtete Wasserpolitik - verknüpft mit Energiepolitik und landwirtschaftlicher Planung. Unser Ziel ist es, Versorgungssicherheit, wirtschaftliche Stabilität und soziale Gerechtigkeit langfristig zu gewährleisten“, so Minister Baraka abschließend.

Wasserverfügbarkeit in Marokko - Rückblick, Status quo und Ausblick

Vor 20 Jahren - Höhere Verfügbarkeit, geringerer Verbrauchsdruck

Um das Jahr 2005 verfügte Marokko noch über eine deutlich bessere Wassersituation. Die jährliche erneuerbare Wasserverfügbarkeit lag damals bei etwa 1.000–1.200 Kubikmetern pro Kopf und Jahr. Damit befand sich das Land knapp über der internationalen Wasserstress-Schwelle (1.000 m³ pro Kopf laut Weltbank).

Diese Verfügbarkeit war möglich, da:

  • Die Niederschlagsmengen relativ stabil blieben,
  • die Bevölkerungszahl unter 30 Millionen lag (heute über 37 Millionen),
  • und die Landwirtschaft weniger industrialisiert war, insbesondere in Bezug auf exportintensive Bewässerungskulturen.

Dennoch begannen bereits in den 2000er Jahren erste Maßnahmen zur Modernisierung der Wasserinfrastruktur, etwa durch den Bau von Talsperren und die Förderung effizienter Bewässerungsmethoden.

Heute - Kritischer Wasserstress und strukturelle Übernutzung

Aktuell (Stand 2025) liegt die erneuerbare Wasserverfügbarkeit in Marokko laut internationalen und nationalen Schätzungen bei unter 620 Kubikmetern pro Kopf und Jahr - das bedeutet: Wasserknappheit auf strukturellem Niveau.

Gründe für die Verschärfung:

  • Zunahme von Dürrejahren: In den letzten fünf Jahren verzeichnete Marokko teils historisch geringe Niederschläge.
  • Übernutzung von Grundwasser: Der Grundwasserspiegel sinkt in vielen Regionen, insbesondere im Souss-Tal, in Zagora und Tata.
  • Wachsender Wasserbedarf: Durch Urbanisierung, Tourismus (z. B. Agadir, Marrakesch), industrielle Landwirtschaft und Bevölkerungswachstum.
  • Klimawandel: Verschiebung der Regenzeiten, steigende Temperaturen, mehr Verdunstung.

Zwar sind landesweit über 150 Staudämme in Betrieb, doch viele davon erreichen aktuell nur 30-40% ihrer maximalen Speicherkapazität.

Blick in die Zukunft - Kritischer Wendepunkt, aber Chancen durch Innovation

Wenn keine strukturelle Kehrtwende erfolgt, könnte Marokko in den nächsten 25 Jahren die Schwelle von 500 m³ pro Kopf und Jahr unterschreiten - laut FAO ein Indikator für absolute Wasserknappheit.

Die marokkanische Regierung arbeitet daher an einer Nationalen Wasserstrategie bis 2050, deren Hauptpfeiler sind:

  • Massiver Ausbau der Meerwasserentsalzung, insbesondere in Küstenregionen wie Agadir, Safi, Casablanca, El Jadida.
  • Verstärkter Rückgriff auf aufbereitetes Abwasser zur landwirtschaftlichen Nutzung.
  • Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft, z. B. durch Tröpfchenbewässerung, Pflanzensorten mit geringerem Wasserbedarf.
  • Infrastruktur für interregionale Wasserübertragung, um Regionen wie Doukkala und Tadla zu versorgen.
  • Preissignale und Regulierung: Zunehmende Diskussion um „Wasserpreise“, insbesondere für große landwirtschaftliche Betriebe und Hotels.

Von der Wasserverfügbarkeit zur Wassersouveränität

Während Marokko früher vor allem auf natürliche Wasservorkommen angewiesen war, steuert das Land nun in Richtung „Wassersouveränität durch Technologie“: Das bedeutet, dass Wasser künftig nicht mehr „gegeben“ ist, sondern technologisch erzeugt, verteilt und reguliert werden muss - ähnlich wie bei Energie.

Ob dieser Wandel gelingt, hängt wesentlich davon ab, wie konsequent Investitionen, Verhaltenswandel und Governance ineinandergreifen.