Gibraltar-Tunnel: Neustart für die Mittelmeer-Verbindung
Der geplante Unterseetunnel zwischen Marokko und Spanien gewinnt an Schwung. Studien sind vergeben, die Telekommunikation für das Expertenteam steht, die Geologie wird geprüft. Technisch ambitioniert, aber machbar - die kommenden Monate bringen Klarheit über den nächsten Schritt.
Die Vision einer festen Verbindung zwischen Afrika und Europa rückt wieder näher. Das spanische Verkehrsministerium hat der öffentlichen Gesellschaft EniCo eine finanzielle Machbarkeitsstudie anvertraut, während Vodafone UK die Kommunikationsdienste für das interdisziplinäre Expertenteam übernimmt. Beides signalisiert: Das Projekt betritt eine operative Vorbereitungsphase.
Die von Next Generation EU mit 350.000 Euro geförderte EniCo-Studie bewertet das Potenzial im Personen- und Güterverkehr, prüft mögliche Bahnhöfe in Algeciras oder Tarifa und analysiert private Finanzierungsmodelle nach dem Vorbild des Kanaltunnels. Ziel ist, einen belastbaren Business Case und tragfähige Umsetzungsoptionen zu definieren.
Die Eckdaten sind eindrucksvoll: Vorgesehen ist zunächst ein eingleisiger Eisenbahntunnel für Reise- und Güterzüge. Die Trasse wäre rund 38,5 Kilometer lang, davon etwa 28 Kilometer unter dem Meer, mit einer maximalen Tiefe von rund 300 Metern. Verbunden würden Punta Paloma in Spanien und Punta Malabata bei Tanger. Die Kostenschätzung liegt bei mehr als 15 Milliarden Euro. International vergleichbare Großprojekte zeigen, dass diese Komplexität grundsätzlich beherrschbar ist - entscheidend sind Planungstiefe, Risikomanagement und verlässliche Finanzierung.
Parallel wurde eine deutsche Spezialfirma mit der geologischen Analyse des anspruchsvollen Abschnitts „Amp de Camarinal“ beauftragt. Ergebnisse werden bis zum Sommer 2026 erwartet. Auf ihrer Grundlage lassen sich Bauverfahren, Sicherheitskonzepte und Kostenrahmen präzisieren.
Für die Vorarbeiten hat Spanien Mitte August einen Vertrag mit Vodafone UK geschlossen. Vereinbart sind unter anderem eine 1-Gigabit-Anbindung, 24/7-Überwachung, Festnetz- und Mobilleistungen sowie die notwendige Hardware. Vodafone verantwortet zudem die präventive und korrektive Wartung sowie bei Bedarf eine Kapazitätserweiterung um bis zu 50%.
Ganz neu ist das Projekt nicht: Bereits 1980 vereinbarten Marokko und Spanien die Zusammenarbeit und gründeten die Gesellschaften SECEGSA und SNED. Heute wird der Tunnel als künftiger transkontinentaler Korridor gedacht - mit Potenzial, Mobilität zu erleichtern, den Handel zu beleben und den Energietransfer zwischen Europa und Afrika zu unterstützen.
Trotz der aktuellen Dynamik bleibt der Zeithorizont lang. Nach Angaben spanischer Medien ist ein Baubeginn vor 2040 wenig realistisch, weil technische, finanzielle und ökologische Anforderungen sorgfältig adressiert werden müssen. Entscheidend wird sein, dass die laufenden Studien die Machbarkeit überzeugend belegen und ein konsistentes Finanzierungs- und Genehmigungsmodell entsteht.
Der Gibraltar-Tunnel ist kein ferner Traum mehr, sondern ein strukturiert vorbereiteter Kandidat für ein Jahrhundertprojekt. Wenn die nächsten Studienphasen positive Befunde liefern, könnte eine der spannendsten Infrastrukturverbindungen zwischen zwei Kontinenten in greifbare Nähe rücken.