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Ein neuer Wind im Maghreb: Washington öffnet das Tor zur Versöhnung

Die USA geben ein überraschendes Signal für eine Annäherung zwischen Marokko und Algerien ab. In einem Interview erklärte der US-Sondergesandte Steve Witkoff, ein Friedensabkommen könne bereits innerhalb von sechzig Tagen stehen - ein möglicher Meilenstein im jahrzehntelang blockierten Maghreb-Konflikt.

 

USA: Versöhnung zw. Marokko und Algerien in Aussicht, Foto mit Hilfe von ChatGPT erstelltEine unerwartete Erklärung aus Washington hat neue Hoffnung auf eine historische Annäherung zwischen Marokko und Algerien geweckt. In einem Interview mit der Sendung 60 Minutes auf CBS News erklärte Steve Witkoff, der US-Sondergesandte für Friedensmissionen, dass ein Friedensabkommen zwischen Rabat und Algier „in meinem Ermessen in den nächsten sechzig Tagen“ möglich sei. Nach seinen Worten arbeitet die US-Administration aktiv daran, den Dialog zwischen den beiden Maghreb-Nachbarn wiederzubeleben.

Seit Jahren sendet König Mohammed VI Signale der Öffnung und Versöhnung in Richtung Algerien. In seiner Thronrede vom 30. Juli 2025 bekräftigte er erneut den Wunsch nach einem „brüderlichen und aufrichtigen Dialog“ und betonte, dass „die Versöhnung der Herzen der Versöhnung der Institutionen vorausgeht“. Der Monarch erklärte zudem: „Das algerische Volk ist ein brüderliches Volk, das mit dem marokkanischen Volk durch tief verwurzelte menschliche und historische Bande verbunden ist“. Diese Haltung des Friedens und der Verantwortung hat Marokko in den vergangenen Jahren immer wieder als Akteur der Stabilität im Maghreb positioniert.

Gleichzeitig zeigt die Initiative Washingtons, dass externe Akteure zunehmend bereit sind, sich intensiver als bisher in den Dialogprozess einzubringen. Das verleiht dem Vorhaben Legitimität und könnte neue Gesprächskanäle eröffnen, die bisher blockiert waren. Sollte die angekündigte Vermittlung tatsächlich Gestalt annehmen, könnte sie die Grundlage für eine Wiederaufnahme wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer und kultureller Kooperation zwischen Rabat und Algier schaffen.

Die Chancen für eine solche Annäherung sind real, doch die Hürden bleiben beträchtlich. Der Konflikt über die marokkanische Sahara bleibt das zentrale Hindernis, das jede diplomatische Bewegung beeinflusst. Auch die seit August 2021 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen und die seit 1994 geschlossenen Landgrenzen erschweren eine schnelle Normalisierung. Algerien sieht zudem in Marokkos außenpolitischer Öffnung - insbesondere in den Beziehungen zu Israel, den USA und Europa - eine potenzielle Sicherheitsbedrohung. Diese Wahrnehmung nährt Misstrauen und bremst mögliche Fortschritte.

Ein weiteres Risiko liegt in den politischen Strukturen beider Länder. Sowohl Marokko als auch Algerien verfügen über gefestigte Machtapparate, in denen plötzliche Kurswechsel Risiken für die innenpolitische Stabilität bergen könnten. In beiden Gesellschaften sind nationale Narrative stark verwurzelt, die Kompromisse erschweren - etwa in Fragen der Souveränität oder der territorialen Integrität. Auch die Zivilgesellschaft, die nach Jahren des Stillstands skeptisch auf politische Gesten reagiert, erwartet konkrete Ergebnisse, bevor sie Vertrauen fasst.

Trotz dieser Spannungen überwiegt bei vielen Beobachtern vorsichtiger Optimismus. Der politische Wille des marokkanischen Königs, die Vermittlungsbereitschaft der USA und die wachsende Einsicht, dass die dauerhafte Blockade beiden Ländern schadet, schaffen ein Fenster der Gelegenheit. Eine Normalisierung der Beziehungen könnte Investitionen fördern, Handelsrouten reaktivieren und den sicherheitspolitischen Austausch erleichtern. Ein geeinter Maghreb hätte das Potenzial, als stabiler und einflussreicher Akteur sowohl in Afrika als auch im Mittelmeerraum zu wirken.

Doch die Erfolgsaussichten bleiben unsicher. Viele Expertinnen und Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass in den kommenden zwölf bis achtzehn Monaten substantielle Fortschritte erzielt werden, auf etwa 30 bis 40 Prozent. Der von Witkoff genannte Zeitraum von sechzig Tagen gilt als ehrgeizig. Entscheidend wird sein, welche konkreten Angebote Algerien unterbreitet werden - etwa hinsichtlich der Grenzöffnung, eines Sicherheitsdialogs oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit - und in welchem Maß die USA bereit sind, als Garant des Prozesses zu fungieren.

So könnte eine Annäherung zwischen Rabat und Algier, wenn sie gelingt, nicht nur den beiden Völkern neue Perspektiven eröffnen, sondern auch das geopolitische Gleichgewicht im Maghreb grundlegend verändern. Noch ist der Weg dorthin lang - doch zum ersten Mal seit Jahrzehnten scheint der Wind der Versöhnung durch die Region zu wehen.