Ein Kontinent verbindet sich: Die afrikanische Atlantik-Pipeline
Die Nigeria-Marokko-Gas-Pipeline nimmt Gestalt an und gewinnt zunehmend an Bedeutung als eines der ambitioniertesten geoökonomischen Projekte des afrikanischen Kontinents.
Getragen von Marokko und Nigeria, hat das Vorhaben jüngst eine entscheidende Etappe erreicht: Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (CEDEAO) erteilte offiziell ihre Zustimmung. Unter dem Namen „Afrikanischer Atlantik-Gazoduc“ verfolgt das Projekt das Ziel, die Energiequellen des Golfs von Guinea mit den euro-mediterranen Märkten zu verbinden - und gleichzeitig den Energiebedarf innerhalb des Kontinents zu decken.
Auf der CEDEAO-Tagung im Dezember 2024 in Abuja verabschiedeten die Mitgliedstaaten ein zwischenstaatliches Abkommen, das die rechtlichen Rechte und Pflichten jedes durchquerten Landes definiert. Dieses grundlegende Dokument leitet die Phase der diplomatischen, institutionellen und operativen Konsolidierung ein. Die feierliche Unterzeichnung wird für den Herbst 2025 erwartet - ein Akt, der dem Vorhaben eine neue politische und wirtschaftliche Tragweite verleiht und die beteiligten Staaten enger zusammenschweißt.
Mit einer geplanten Länge von rund 7.000 Kilometern wird die afrikanische Atlantik-Gaspipeline insgesamt dreizehn Länder Westafrikas durchqueren, bevor er im Norden Marokko erreicht. Dieses großangelegte Infrastrukturprojekt zielt darauf ab, nahezu 400 Millionen Menschen mit Energie zu versorgen und eine direkte Verbindung zum europäischen Gasnetz über die Maghreb-Europa-Pipeline herzustellen. Angesichts dieser Dimensionen werden die Kosten auf rund 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Um Budgetüberschreitungen zu vermeiden, wurde der Projektzeitplan überarbeitet und optimiert.
Doch jenseits ökonomischer Kennzahlen steht eine strategische Vision: Die natürlichen Ressourcen Afrikas sollen in einen Motor wirtschaftlicher Integration, energetischer Armutsbekämpfung und regionaler Stabilisierung verwandelt werden. Auch Binnenstaaten wie Mali, Burkina Faso oder Niger sollen über sekundäre Leitungen angeschlossen werden - ein Ausblick, der die Rolle Marokkos als Energie-Drehscheibe des Südens und als verlässliche Brücke zwischen Afrika und Europa weiter stärkt.
Trotz dieser verheißungsvollen Perspektiven bleiben Herausforderungen. Die Sicherheit der Trasse, insbesondere in instabilen Sahelregionen, ist ein zentrales Anliegen. Derzeit erarbeiten die zuständigen Behörden militärische und technische Lösungen zum Schutz der Baustellen und künftigen Anlagen. Ebenso kritisch bleibt die Finanzierung: Obwohl das Projekt auf wachsendes Interesse bei afrikanischen Institutionen und internationalen Geldgebern stößt, steht die konkrete Mittelmobilisierung noch aus.
Das Projekt ist zudem im Kontext eines stillen Wettbewerbs mit der algerischen Transsahara-Gaspipeline zu sehen. Letzterer mag kürzer sein, doch er ist geopolitisch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Im Gegensatz dazu profitiert die Nigeria-Marokko-Gaspipeline von einer starken multilateralen Verankerung und einer zunehmend geschlossenen regionalen Unterstützung. Das Vorhaben steht für eine pragmatische Form der Kooperation, die weit über das Energiethema hinausgeht: Es ist der Ausdruck eines neuen Geflechts kontinentaler Solidarität.